Ein Kiez in Poelchaus Namen? Neubau-Projekt am Halemweg
Charlottenburg-Nord. Oft genug standen sie im Abseits des öffentlichen Interesses – doch plötzlich sollen Anwohner des Halemwegs mitreden bei den bemerkenswerten Umwälzungen, die vor ihrer Tür geschehen werden. Hier entstehen 200 neue Wohnungen mit Kaltmieten ab 6,50 Euro. Eine Keimzelle der Neuerfindung von Charlottenburg-Nord.
Weiße Klötze und schwarze Klötze. Weiß steht für alles, was schon da steht. Schwarz für das, was kommt. Mit einem Handgriff rupft Marc Schulte die Poelchau-Schule aus ihrer Verankerung, ersetzt sie durch eine Gruppe dunkler Quader, angeordnet wie die Zinken eines Kamms. Dann pflückt er auch die weiße Anna-Freud-Oberschule aus der Modellandschaft und pflanzt die zweite Hälfte des neuen Stadtviertels an ihre Stelle – den Neubau der Schule.
Was Stadtrat Schulte da präsentiert, braucht in Wirklichkeit fünf Jahre – aber noch bemerkenswerter erscheint der Aufwand: Die Summen für Abriss, Planung und Bau bewegen sich in Dimensionen, die bis vor wenigen Wochen niemand hier angelegen wollte. Nicht am Halemweg in Charlottenburg-Nord. Doch das Berliner Abgeordnetenhaus hat zugestimmt. Etwa 10 Millionen Euro für den Abriss der asbestbelasteten Poelchau-Schule, rund 45 Millionen Euro für den Neubau.
Und Frederic Verrycken, der die Große Koalition auf die Wichtigkeit dieses Vorhabens einschwören konnte, sitzt nun bei der ersten großen Informationsveranstaltung für Anwohner neben dem Brett voller weißer und schwarzer Steine. Verrycken, Bürgermeister Reinhard Naumann, Stadtrat Schulte – diese drei Sozialdemokraten beschreiben den Menschen die Zukunft. Und sie bitten um Hilfe: „Ihre Ideen sind gefragt“, sagt Verrycken. Auf dieser Versammlung soll der Informationsfluss zwei Richtungen haben.
Erste Fakten
Konkrete Informationen zum Abriss der früheren Poelchau-Schule, dem Neubau der Freud-Oberschule und die Konzeption des neuen Stadtquartiers mit 200 Wohnungen beschränken sich zu diesem Zeitpunkt noch auf grobe Fakten: Sieben Stockwerke dürften die neuen Häuser haben, 600 bis 800 neue Nachbarn könnten als Mieter einer Wohnungsbaugesellschaft in ihnen leben, das Familienzentrum würde eine neue Bleibe bekommen, weil sein jetziger Sitz genau wie die Poelchau-Schule weichen muss. Aus einer Kita würden wohl zwei werden.
Dies gilt als besonders wichtiges Detail angesichts des „Notstands“, den Verrycken bei der Versorgung in Charlottenburg-Nord erkennt. 168 Plätze gibt es zu wenig. Doch mit dem Stadtteil, so lautet das Versprechen von Bürgermeister Naumann, soll auch die gesamte Infrastruktur intelligent mitwachsen. Mehr Kita-Plätze, Ausbau der Grundschule, bessere Nahversorgung, keine Abstriche bei der Anbindung bei BVG-Bussen. Das alles soll gesichert sein: „Wir klotzen hier nicht einfach gedankenlos irgendetwas hin.“
Und dann haben die Anwohner das Wort. „Was heißt denn bezahlbarer Wohnraum?“, will eine Frau wissen. „Brauchen dort Leute einen Wohnberechtigungsschein?“ Schulte verneint und stellt ganz gewöhnliche Mietverhältnisse in Aussicht. Je nach Verhandlungen mit der ausführenden Gesellschaft könnten „der Mittelstand“ hier für 6,50 Euro pro Quadratmeter leben.
Und wie wird das Quartier heißen? Pfarrer Michael Maillard bringt Harald Poelchaus Namen ins Spiel. „Ich fände es schade, wenn dieser Name nach dem Wegzug der gleichnamigen Schule aus unserem Gedächtnis verschwindet.“ Poelchau war einer der prominentesten Widerstandskämpfer gegen die Nazis und Gefängnispfarrer in Plötzensee.
Es sind die ersten Impulse der Anwohner. Weitere dürften folgen. Man wird noch so manches Mal beisammensitzen, ehe die schwarzen Steinen zu weißen werden. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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