"Wir sind nicht die Polizei"
Kiezläufer ziehen Bilanz: Weniger Beschwerden über Unterkunft

Thierno Allzones Diallo Antoninho Dudu Indjai (rechts) sorgen als Kiezläufer für Ordnung.  | Foto:  Ulrike Kiefert
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Zwischen Mierendorffplatz und Spandauer-Schifffahrtskanal sind seit dem Sommer Kiezläufer unterwegs. Sie sollen rund um die Flüchtlingsunterkunft Tegel für Ordnung sorgen. Jetzt zog das Projekt Zwischenbilanz.

Ihre tägliche Tour fangen Antoninho Dudu Indjai und Thierno Allzones Diallo am Mierendorffplatz an. Zu Fuß geht es von da weiter zum Bahnhof Jungfernheide, durch die Paul-Hertz-Siedlung vorbei am Friedrich-Kaiser-Platz, den Heckerdamm und Halemweg entlang bis zum unbeleuchteten Ufer des Spandauer-Schifffahrtskanals. In der Nähe liegt das „Ankunftszentrum Tegel“, Deutschlands größtes Flüchtlingslager. Für die beiden Kiezläufer beginnt dort ihr eigentlicher Job. Sie sorgen im Viertel für Ordnung, mit höflichen Worten. Sie sprechen Männer an, die auf Spielplätzen Alkohol trinken, Familien und junge Leute, die am Kanalufer grillen und lautstark feiern oder ihren Müll am Straßenrand entsorgen. „Inzwischen kennt man uns schon“, sagt Indjai. „Die Leute wissen, wir sind nicht die Polizei.“

Antoninho Dudu Indjai (61) und Thierno Allzones Diallo (32) sind zwei von sechs Kiezläufern, die im Auftrag des Bezirksamtes für die Firma „think SI3“ unterwegs sind, die hinsehen, wo andere wegschauen. So steht es auf ihren weißen Westen, die sie als Kiezläufer ausweisen. In Charlottenburg-Wilmersdorf ist es das einzige Kiezläufer-Projekt. Gestartet ist es im August nach Beschwerden von Anwohnern und Kleingärtnern über das vermüllte Kanalufer in der Nähe der Flüchtlingsunterkunft auf dem ausgedienten Flughafen Tegel. Die Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf und Reinickendorf und das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) setzten sich daraufhin zusammen, um über Gegenmaßnahmen zu beraten. In dem Ankunftszentrum leben inzwischen etwa 5000 Frauen, Männer und Kinder, die meisten kommen aus der Ukraine.

"Hinsehen, wo andere wegschauen" ist das Motto.  | Foto: Ulrike Kiefert
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Dass bei so vielen Menschen, die monatelang auf engstem Raum zusammen wohnen müssen, nicht alles vorbildlich abläuft, ist programmiert. Es seien aber keine mutwilligen Verstöße, betont Bürgermeisterin Kirstin Bauch (Grüne). „Es ist einfach Unwissenheit.“ Darüber, dass man den Müll trennt oder in Berlin nur auf ausgewiesenen Plätzen grillt, dass man auf Spielplätzen nicht raucht und trinkt. „Diese Regeln erklären die Kiezläufer im freundlichen Gespräch. Da müssen wir nicht das Ordnungsamt durchschicken.“

Und es scheint zu funktionieren. „Die Situation hat sich vor Ort verbessert“, bestätigt Antoninho Dudu Indjai, der vorher im Security-Team des Ankunftszentrums war. „Die meisten Menschen hören auf uns, vertrauen uns.“ Das liegt daran, dass die Kiezläufer mehrere Sprachen können, darunter Russisch. Thierno Allzones Diallo zum Beispiel hat vor dem Krieg in der Ukraine studiert. Und die Kiezläufer wissen teils selbst sehr genau, was es heißt, auf der Flucht zu sein, was sie emphatisch macht. Die Kiezläufer mahnen aber nicht nur höflich bei Verstößen und klären über geltende Gesetze auf. „Sie sind auch Ansprechpartner für Sorgen und vermitteln Hilfen bei Bedarf“, informiert Suzanna Lauterbach, Projektkoordinatorin von „think SI3“. Nach jedem ihrer Rundgänge schreiben die Kiezläufer einen Bericht, der ausgewertet und weitergegeben wird. „So können wir zum Beispiel die BSR informieren, wenn irgendwo Müll herumliegt“, sagt Lauterbach. Auch bei den Anwohnern und Kleingärtnern sind die Kiezläufer akzeptiert und die Beschwerden – soweit bekannt – zurückgegangen.

Kirstin Bauch und Cem Gömüsay mit den beiden Kiezläufern.  | Foto: Ulrike Kiefert
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Darum hoffen auch alle, dass das Projekt weiterläuft. Eigentlich endet es jetzt im Dezember. Die Senatssozialverwaltung finanziert es mit 120 000 Euro, informiert Cem Gömüsay, Bezirksbeauftragter für Partizipation und Integration. Das Geld fließt als „Verstärkungsmittel Flucht“. Für die geflüchteten Ukrainer gibt es inzwischen eine psychologische Beratungsstelle und Krisenintervention in Tegel und an der Charlottenburger Holsteinische Straße. Betreiberin des neuen Angebots ist die Albatros gGmbH.

Antoninho Dudu Indjai und Thierno Allzones Diallo machen sich morgen wieder auf den Weg. Mit den anderen Teams sind sie abwechselnd montags bis sonnabends von 13 bis 21.30 Uhr rund um das Flüchtlingslager unterwegs. Während ihrer Einsatzzeiten sind die Kiezläufer erreichbar unter der Telefonnummer 0157 73 84 94 74.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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