Vom Feuerstein bis zum Thermomix:
Ausstellung „Herdanziehungskraft“ zeigt die Kulturgeschichte der Küche

Moderne Küchenhelfer wie Kellen gibt es in allen Farben und zahlreichen Formen.    | Foto: Ulrike Martin
13Bilder
  • Moderne Küchenhelfer wie Kellen gibt es in allen Farben und zahlreichen Formen.
  • Foto: Ulrike Martin
  • hochgeladen von Ulrike Martin

In der Steinzeit brutzelten die Menschen am Feuer vor der Höhle ihre Jagdbeute, in der Zukunft kochen vielleicht Roboter Essen aus Lebensmittel-Abfällen. In der Ausstellung „Herdanziehungskraft“ im Herrenhaus der Domäne Dahlem können Besucher auf eine Zeitreise zur Geschichte des Kochens und der Küche gehen. Dabei begegnen sie unter anderem einem Herd mit dem Namen „Backofix“ und der Obstpresse „Tutti Frutti“.

Der Rundgang startet mit dem Kapitel „Am Anfang war das Feuer“. Anthropologen gehen davon aus, dass die Menschen ein vom Blitzschlag oder Waldbrand entzündetes Feuer sorgfältig hüteten, denn es machte den Speiseplan reichhaltiger und spendete Wärme.

„Das Feuer wurde mitgetragen, damit musste nicht auf den nächsten Brand gewartet werden“, erklärt Ines Vollmar von der Domäne. Nach neuesten Funden in Israel geht die Nutzung des Feuers bis auf 960000 Jahre vor unserer Zeitrechnung zurück, weitaus früher als bisher angenommen. Die Technik, aus Steinen Funken zu schlagen, wurde vor rund 33000 Jahren entdeckt.

Vom offenen Feuer zur geschlossenen Herdstelle

War das Feuer vor der Höhle in der Frühzeit der Lebensmittelpunkt, rückte der Herd in späteren Jahrhunderten ins Zentrum der Küche. Zunächst wurde über offenen, gemauerten Feuerstellen gekocht. Zur Ausrüstung gehörten damals Kesselhaken. Sie waren höhenverstellbar und dienten damit der Hitzeregulierung. Die ersten geschlossenen Herdstellen gab es im 18. Jahrhundert vor allem in Bürgerhäusern. Kochmaschinen mit Metall-Abdeckung, reduzierten die Brandgefahr erheblich.

Gasherde setzten sich um 1900 in den Städten durch, bis Elektroherde entwickelt wurden dauerte es weitere 50 Jahre. Sie verkürzten die Kochzeit erheblich. Ein besonders anschauliches Stück in der Ausstellung ist eine reich verzierte, industriell gefertigte Kochmaschine aus Eisen und Metall von 1900, ausgerüstet mit zwei Kochplatten und einer Backröhre.

Der kleinformatige Backofix von 1950 war ein Elektroherd, bei dem Ober- und Unterhitze bereits separat eingestellt werden konnte. Zu sehen sind auch Puppenküchen, die im Kleinen zeigen, wie eine ideale Kücheneinrichtung sein sollte, die älteste stammt aus der Zeit um 1870.

Der Alleskönner "Piccolo"

Die zahlreichen Küchenhelfer sind ein weiteres Thema. Da gibt es die Fruchtpresse „Tutti Frutti“, oder den ergonomisch geformten „Schneidboy“ aus den 1950er-Jahren, der nicht nur Zwiebeln zerkleinerte. In den 1920er-Jahren eroberten erste elektrische Geräte wie Wasserkocher und Toaster die Küchen. „In den 1940er-Jahren gab es in Flugzeugen schon Mikrowellengeräte“, erzählt Ines Vollmar. Ein sehr spezieller Helfer war der Piccolo-Haushaltsmotor. Er konnte Teig rühren und kneten, als Fleischwolf dienen, saugte aber auch Staub, kam als Schleifmaschine und sogar als Schamponiergerät zum Einsatz.

Bezeichnungen wie „Frauenstolz“ für einen Quirl zeigten, wer die Arbeit mit ihm verrichten sollte. Die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen verlangte aber ein besseres Zeitmanagement. 1916 hatte die Mitropa, die Mitteleuropäische Schlafwagen- und Speisewagen-Aktien-Gesellschaft, eine Küche entwickelt, in der alles schnell erreichbar war. Als ein Musterbeispiel gilt die Frankfurter Küche von 1926, diese Prototyp ist bis heute die häufigste Form von Einbauküchen.

Kochen ist eine Männerdomäne

Ein weiteres Kapitel widmet sich dem Berufsfeld „Kochen“. Die erste Berufsschule für Koch- und Ernährungswissenschaften eröffnete 1891 in Paris. Das Kochen als Beruf war und ist eine männliche Domäne. Männer lernten in Kochschulen, Frauen im mütterlichen Haushalt. Es gibt in Deutschland um die 300 Sterneköche, aber nur neun Frauen mit dieser Auszeichnung.

Die Ausstellung hat auch einen partizipativen Ansatz. Eine interaktive Installation unter der Überschrift „Ordnung muss sein“ zeigt, welche Erfindungen blinden Köchen helfen.

Ein Blick in die Zukunft beschließt mit „Utopia. Die Küche der Zukunft“ den Rundgang. Exemplarisch dafür stehen ein Solarkocher und der Alles-Kocher Thermomix. Oder die Foodprints – Snacks aus Lebensmittelabfällen, hergestellt mit einem 3D-Drucker. Koch- und Essgewohnheiten verändern sich: Street Food wird immer beliebter, Singles kochen immer weniger. Andererseits geben die Deutschen immer mehr Geld für den heimischen Herd aus, Küchen werden zum Status-Symbol. Und für die meisten Menschen bleiben sie die Mittelpunkte des häuslichen Lebens.

Kinder und Jugendliche sind übrigens bei diesem Kapitel sehr gefragt, sie können ihre Ideen für eine Küche der Zukunft zeichnen. Die Ergebnisse werden bei der Finnissage am 5. Januar 2020 gezeigt. Zum Rahmenprogramm gehören regelmäßige Führungen für Blinde und Sehbehinderte gemeinsam mit Sehenden sowie Ferien-Angebote für Kinder.

Die Ausstellung „Herdanziehungskraft – Küche und Kochen“ ist ein gemeinsames Projekt des Ausstellungsverbundes „Alltag, Aufbruch, Anstoß“, zu dem neben der Domäne die Freilichtmuseen Hessenpark, Kommern und Am Kiekeberg gehören. Die Öffnungszeiten im Herrenhaus der Domäne Dahlem, Königin-Luise-Straße 49, sind mittwochs bis sonntags von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet fünf, ermäßigt drei Euro.

Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

21 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 406× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 1.110× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 771× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.224× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.117× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.