Vom Feuerstein bis zum Thermomix:
Ausstellung „Herdanziehungskraft“ zeigt die Kulturgeschichte der Küche
In der Steinzeit brutzelten die Menschen am Feuer vor der Höhle ihre Jagdbeute, in der Zukunft kochen vielleicht Roboter Essen aus Lebensmittel-Abfällen. In der Ausstellung „Herdanziehungskraft“ im Herrenhaus der Domäne Dahlem können Besucher auf eine Zeitreise zur Geschichte des Kochens und der Küche gehen. Dabei begegnen sie unter anderem einem Herd mit dem Namen „Backofix“ und der Obstpresse „Tutti Frutti“.
Der Rundgang startet mit dem Kapitel „Am Anfang war das Feuer“. Anthropologen gehen davon aus, dass die Menschen ein vom Blitzschlag oder Waldbrand entzündetes Feuer sorgfältig hüteten, denn es machte den Speiseplan reichhaltiger und spendete Wärme.
„Das Feuer wurde mitgetragen, damit musste nicht auf den nächsten Brand gewartet werden“, erklärt Ines Vollmar von der Domäne. Nach neuesten Funden in Israel geht die Nutzung des Feuers bis auf 960000 Jahre vor unserer Zeitrechnung zurück, weitaus früher als bisher angenommen. Die Technik, aus Steinen Funken zu schlagen, wurde vor rund 33000 Jahren entdeckt.
Vom offenen Feuer zur geschlossenen Herdstelle
War das Feuer vor der Höhle in der Frühzeit der Lebensmittelpunkt, rückte der Herd in späteren Jahrhunderten ins Zentrum der Küche. Zunächst wurde über offenen, gemauerten Feuerstellen gekocht. Zur Ausrüstung gehörten damals Kesselhaken. Sie waren höhenverstellbar und dienten damit der Hitzeregulierung. Die ersten geschlossenen Herdstellen gab es im 18. Jahrhundert vor allem in Bürgerhäusern. Kochmaschinen mit Metall-Abdeckung, reduzierten die Brandgefahr erheblich.
Gasherde setzten sich um 1900 in den Städten durch, bis Elektroherde entwickelt wurden dauerte es weitere 50 Jahre. Sie verkürzten die Kochzeit erheblich. Ein besonders anschauliches Stück in der Ausstellung ist eine reich verzierte, industriell gefertigte Kochmaschine aus Eisen und Metall von 1900, ausgerüstet mit zwei Kochplatten und einer Backröhre.
Der kleinformatige Backofix von 1950 war ein Elektroherd, bei dem Ober- und Unterhitze bereits separat eingestellt werden konnte. Zu sehen sind auch Puppenküchen, die im Kleinen zeigen, wie eine ideale Kücheneinrichtung sein sollte, die älteste stammt aus der Zeit um 1870.
Der Alleskönner "Piccolo"
Die zahlreichen Küchenhelfer sind ein weiteres Thema. Da gibt es die Fruchtpresse „Tutti Frutti“, oder den ergonomisch geformten „Schneidboy“ aus den 1950er-Jahren, der nicht nur Zwiebeln zerkleinerte. In den 1920er-Jahren eroberten erste elektrische Geräte wie Wasserkocher und Toaster die Küchen. „In den 1940er-Jahren gab es in Flugzeugen schon Mikrowellengeräte“, erzählt Ines Vollmar. Ein sehr spezieller Helfer war der Piccolo-Haushaltsmotor. Er konnte Teig rühren und kneten, als Fleischwolf dienen, saugte aber auch Staub, kam als Schleifmaschine und sogar als Schamponiergerät zum Einsatz.
Bezeichnungen wie „Frauenstolz“ für einen Quirl zeigten, wer die Arbeit mit ihm verrichten sollte. Die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen verlangte aber ein besseres Zeitmanagement. 1916 hatte die Mitropa, die Mitteleuropäische Schlafwagen- und Speisewagen-Aktien-Gesellschaft, eine Küche entwickelt, in der alles schnell erreichbar war. Als ein Musterbeispiel gilt die Frankfurter Küche von 1926, diese Prototyp ist bis heute die häufigste Form von Einbauküchen.
Kochen ist eine Männerdomäne
Ein weiteres Kapitel widmet sich dem Berufsfeld „Kochen“. Die erste Berufsschule für Koch- und Ernährungswissenschaften eröffnete 1891 in Paris. Das Kochen als Beruf war und ist eine männliche Domäne. Männer lernten in Kochschulen, Frauen im mütterlichen Haushalt. Es gibt in Deutschland um die 300 Sterneköche, aber nur neun Frauen mit dieser Auszeichnung.
Die Ausstellung hat auch einen partizipativen Ansatz. Eine interaktive Installation unter der Überschrift „Ordnung muss sein“ zeigt, welche Erfindungen blinden Köchen helfen.
Ein Blick in die Zukunft beschließt mit „Utopia. Die Küche der Zukunft“ den Rundgang. Exemplarisch dafür stehen ein Solarkocher und der Alles-Kocher Thermomix. Oder die Foodprints – Snacks aus Lebensmittelabfällen, hergestellt mit einem 3D-Drucker. Koch- und Essgewohnheiten verändern sich: Street Food wird immer beliebter, Singles kochen immer weniger. Andererseits geben die Deutschen immer mehr Geld für den heimischen Herd aus, Küchen werden zum Status-Symbol. Und für die meisten Menschen bleiben sie die Mittelpunkte des häuslichen Lebens.
Kinder und Jugendliche sind übrigens bei diesem Kapitel sehr gefragt, sie können ihre Ideen für eine Küche der Zukunft zeichnen. Die Ergebnisse werden bei der Finnissage am 5. Januar 2020 gezeigt. Zum Rahmenprogramm gehören regelmäßige Führungen für Blinde und Sehbehinderte gemeinsam mit Sehenden sowie Ferien-Angebote für Kinder.
Die Ausstellung „Herdanziehungskraft – Küche und Kochen“ ist ein gemeinsames Projekt des Ausstellungsverbundes „Alltag, Aufbruch, Anstoß“, zu dem neben der Domäne die Freilichtmuseen Hessenpark, Kommern und Am Kiekeberg gehören. Die Öffnungszeiten im Herrenhaus der Domäne Dahlem, Königin-Luise-Straße 49, sind mittwochs bis sonntags von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet fünf, ermäßigt drei Euro.
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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