Flucht in die Bilder und innere Immigration
Gemeinsame Ausstellung präsentiert neue Blicke auf Brücke-Künstler im Nationalsozialismus

Ernst Ludwig Kirchners "Artistin" von 1910 gehört zu den Bildern, die unter den Nazis in der Propagandaausstellung "Entartete Kunst" diffamiert wurden. | Foto: Brücke-Museum
4Bilder
  • Ernst Ludwig Kirchners "Artistin" von 1910 gehört zu den Bildern, die unter den Nazis in der Propagandaausstellung "Entartete Kunst" diffamiert wurden.
  • Foto: Brücke-Museum
  • hochgeladen von Ulrike Martin

Das Brücke-Museum und das Kunsthaus Dahlem präsentieren mit „Flucht in die Bilder?“ ihre erste Kooperation. Dabei wird die Galerie im Kunsthaus zum zweiten Veranstaltungsort der Ausstellung, die sich kritisch und umfassend mit den Handlungsspielräumen und der Alltagsrealität der Brücke-Künstler im Nationalsozialismus beschäftigt.

Zu sehen sind Werke von Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Max Pechstein und Ernst Ludwig Kirchner. Die Situation dieser Maler wurde von 1933 bis 1945 zumeist auf die „Verfemung“ ihrer Kunst reduziert, was einem eindimensionalem Blick gleichkommt.

Die meisten der ehemaligen Brücke-Künstler waren bis in die letzten Kriegsjahre hinein künstlerisch tätig und hatten zu Beginn noch die Hoffnung gehegt, mit ihrer Kunst Anerkennung bei den Nationalsozialisten zu finden – eine Hoffnung, die von Letzteren teilweise auch genährt wurde. Die Ausstellung will die Komplexität des Themas „Brücke zwischen Anerkennung und Verfemung“ vermitteln.

Der erste Teil der Schau beschäftigt sich mit den Jahren 1933 bis 1937. Damals versuchten Museumsmitarbeiter und Journalisten, den Expressionismus zu einer „deutschen Moderne“ zu stilisieren und der völkischen Bewegung an die Seite zu stellen. Die Nationalsozialisten setzten sich zeitgleich im „Expressionismusstreit“ mit dieser Kunst auseinander. Um akzeptiert zu werden, unterzeichneten Heckel und Nolde im August 1937 den „Aufruf der Kulturschaffenden“, eine Loyalitätsbekundung gegenüber Hitler.

Hauptsächlich Landschaftsdarstellungen zeigten die Expressionisten nach 1933, Figurendarstellungen und Porträts wurden von den Nazis stark angefeindet. So stellte der Rassenideologe Paul Schultze-Naumburg Bildern mit perspektivischen Verzerrungen in einer Propaganda-Publikation Fotos von Menschen mit Behinderungen gegenüber.

Die Brücke-Künstler schufen trotzdem weiterhin Figurenbilder und Porträts, wendeten sich aber der naturalistischen Darstellung zu. Ein Beispiel dafür ist Pechsteins „Junge mit Schneebällen und drei Nelken“ von 1937.

Ab 1937 wurden Tausende von Bildern ehemaliger Brücke-Künstler aus Sammlungen entfernt und ein Teil davon in der Propagandaausstellung „Entartete Kunst“ diffamiert. Neun dieser Gemälde befinden sich im Brücke-Museum, darunter Kirchners „Artistin“ und Heckels „Drei Frauen vor roter Uferwand“.

Ein Aspekt, der auch beleuchtet wird: Bei den Angriffen auf die Brücke-Künstler ging es um eine rein ästhetische Verfemung. Keiner der Maler wurde aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt oder wie jüdische Künstler deportiert und ermordet.

Weitere Kapitel der Ausstellung widmen sich der inneren Immigration der Künstler und der entbehrungsreichen Zeit im Zweiten Weltkrieg. Die unmittelbare Nachkriegszeit wird im dem Brücke-Museum benachbarten Kunsthaus Dahlem thematisiert. In diesem letzten Kapitel geht es unter anderem um den Versuch, die Künstler in allen vier Besatzungszonen zu rehabilitieren.

„Flucht in die Bilder?“ ist im Brücke-Museum, Bussardsteig 9, und im Kunsthaus Dahlem, Käuzchensteig 8, bis zum 11. August zu sehen. Die Öffnungszeiten sind mittwochs bis montags von 11 bis 17 Uhr. Das Kombi-Ticket für beide Einrichtungen kostet acht, ermäßigt fünf Euro.

Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 2.679× gelesen
BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 2.021× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 2.644× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 3.552× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.