Installation über die Zeit der Tante-Emma-Läden
Dahlem. „Guten Tag Frau Müller, was darf’s denn sein? Wie immer? Ein Brot? Heute auch Waschpulver, gut.“ Im Herrenhaus der Domäne Dahlem steht ein alter Kaufmannsladen, vor den Regalen der dazugehörige Kaufmann. Er heißt Rüdiger Buchmann und plaudert gerne mit seinen Kunden, die er alle mit Namen kennt. Allerdings ist er nicht echt, sondern „nur“ eine Projektion.
Die Installation funktioniert mittels einer auf der Theke befestigten Glasscheibe, auf die Buchmann mit einem Beamer lebensgroß projiziert wird. Betritt ein Besucher den Laden im Domäne-Museum, klingelt die Türglocke, und ein neunminütiger Film beginnt. „Der Kaufmann“ erzählt von seinem Arbeitsalltag, zeigt ein dickes Schuldenbuch, in dem die Kunden anschreiben konnten, wiegt Bonbons ab und stellt sein Sortiment vor. Der Betrachter erfährt, dass es in den Tante-Emma-Läden fast nur lose Waren gab: Salz, Zucker und Mehl, Senf und Essig, Gurken und Heringe aus dem Fass. „Natürlich ging auch jede Menge Klatsch und Tratsch über den Ladentisch“, sagt der Hologramm-Kaufmann und schmunzelt. „Ich wusste als erster, wer mit wem ein Verhältnis hatte.“ Er berichtet von seinem harten Job – an sieben Tagen zwölf Stunden hinter der Theke, vorher die Regale auffüllen, danach aufräumen und die Buchführung erledigen. Sein Schlusswort für die „Kunden“ von heute: „Es war anders früher. Ob es besser war, müssen Sie selbst entscheiden.“
Der 75-jährige Rüdiger Buchmann weiß wovon er spricht. Er begann seine berufliche Laufbahn 1955 als Lehrling bei der Otto Reichelt AG in Spandau. Dem Traditionsunternehmen blieb er treu, bis er 2000 in Rente ging.
Ab 2006 baute er das Ehrenamts-Projekt „Lebendige Geschichte/Einkaufen früher“ in der Domäne Dahlem mit auf. Bis 2011 stand er selbst im Kaufmannsladen. „Mit älteren Besuchern habe ich mich oft über die Zeit der Tante-Emma-Läden unterhalten“, erinnert er sich.
Museumsdirektor Peter Lummel, der die Idee zu dem Projekt hatte, sammelte bereits Ende der 90er-Jahre Interviews von Zeitzeugen. „Das waren damals 80- bis 90-Jährige, die noch Erinnerungen an die Kaufmannsläden aus den 20er- und 30er -Jahren hatten“. Rund 30 Stunden Rohmaterial kamen zusammen. Daraus entwickelte Kirsten Harder von der Skript-Akademie ehrenamtlich das Drehbuch.
Für Lummel ist Buchmann ein absoluter Glücksfall: „Das Museum profitiert von seiner Authentizität. Wir werden den Film in Führungen einbeziehen.“ Mit der Installation bleibe der einzigartige Wissens- und Erfahrungsschatz des Kaufmanns erhalten.
Der frisch restaurierte Kaufmannsladen aus der Zeit von 1900 bis 1930 kann zu den Öffnungszeiten des Museums in der Königin-Luise-Straße 49 besichtigt werden: dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet vier, ermäßigt zwei Euro. uma
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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