„Sudel-Ede“ wuchs in Dahlem auf
Moderator des Schwarzen Kanals wohnte die ersten 21 Jahre seines Lebens in der Straße Hohe Ähren
Er war der wohl umstrittenste Journalist der DDR: Karl-Eduard von Schnitzler, Autor und Moderator der Fernsehsendung „Der Schwarze Kanal“. Jede Woche zeigte er Ausschnitte aus dem West-Fernsehen und kommentierte sie im Sinne der DDR-Führung – mit aggressiver Polemik und oft genug mit persönlichen Anfeindungen. Seine Kindheit verbrachte Schnitzler in Dahlem, in einer der besten Wohnlagen in West-Berlin.
Karl-Eduard Richard Arthur von Schnitzler, so der volle Name, wurde am 28. April 1918 als jüngster Sohn von Julius Eduard von Schnitzler geboren und wuchs im Haus Nummer 7 in der Hohe Ähren auf. Der Vater war seit 1898 als Vizekonsul in Shanghai tätig und wurde 1913 in den preußischen Adelsstand erhoben.
Über seine Kindheit in Dahlem schrieb Schnitzler in seinen Memoiren: „Außer Reichsbankdirektoren in ihren Villen in der Nachbarschaft gab es (und gibt es noch) eine Domäne, das städtische Gut Berlin Dahlem. Das waren zwei Welten. Die Direktoren-Söhnchen waren langweilig und arrogant, die Kinder der Landarbeiter lustig und aufgeweckt.“ Bereits als 14-Jähriger trat er in die Sozialistische Arbeiterjugend ein.Zu viel kommunistische Propaganda
Bis 1939 wohnte er noch im Elternhaus, dann wurde er zum Kriegsdienst einberufen. 1944 kam er in britische Kriegsgefangenschaft und wurde Mitarbeiter der Deutschlandabteilung der BBC. Nach dem Krieg arbeitete er beim Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR), war sogar maßgeblich beim Aufbau des Senders in Köln beteiligt. Der britische Chiefcontroller des NWDR, Hugh Carlton Green, urteilte rückblickend über ihn: „Er war ein guter Rundfunkjournalist und ein gescheiter Kopf, den ich nicht unbedingt verlieren wollte. Da er in seine Kommentare indes fortgesetzt kommunistische Propaganda einfließen ließ, kam ich zu dem Schluss, dass er gehen müsse.“ Am 31. Dezember erhielt Schnitzler die Kündigung.
Er übersiedelte in die sowjetische Besatzungszone, trat in die SED ein, wurde Kommentator beim Berliner Rundfunk und beim Deutschlandsender, später Chefkommentator des DDR-Fernsehens.
Am 21. März 1960 wurde „Der Schwarze Kanal“ erstmals ausgestrahlt. Schnitzlers Eingangsworte waren: „Der Schwarze Kanal, den wir meinen, meine lieben Damen und Herren, führt Unflat und Abwässer, aber statt auf Rieselfelder zu fließen, wie es eigentlich sein müsste, ergießt er sich Tag für Tag in hunderttausende westdeutsche und Westberliner Haushalte. Es ist der Kanal, auf welchem das westdeutsche Fernsehen sein Programm ausstrahlt: Der Schwarze Kanal. Und ihm werden wir uns von heute an jeden Montag zu dieser Stunde widmen, als Kläranlage gewissermaßen.“
Zu Schnitzlers Lieblingsfeinden gehörte Franz Josef Strauß, den er als „Kommunistenfresser“ bezeichnete. Ein Hauptangriffsziel in den ersten Sendejahren war auch Bundeskanzler Konrad Adenauer. Zu Schnitzlers Kinderzeit sah das anders aus: Adenauer, damals Kölner Oberbürgermeister, war oft zu Gast im Haus Hohe Ähren 7. Und Klein-Ede kletterte gerne auf „Onkel Konrads“ Knie.
In seiner Sendung kommentierte Schnitzler gnadenlos. So bezeichnete er den 1962 bei einem unbewaffneten Fluchtversuch vor laufender Kamera verblutenden Peter Fechter als einen „angeschossenen Kriminellen“. Zum Mauerbau 1961 sagte er: „Die Falltür Westberlin ist dicht gemacht worden. Die auf das Herz der DDR gerichtete Lanzenspitze ist umgebogen worden.“
Schnitzlers westlicher Gegenspieler war Gerhard Löwenthal, der im ZDF-Magazin Menschenrechtsverletzungen der DDR ins Visier nahm. Günther Lincke, Kommentator im Sender Freies Berlin, verpasste Schnitzler den Namen „Sudel-Ede“. Ein weiterer kolportierter Spitzname war auch „Karl Eduard von Schni“ – angeblich schaltete jeder Zuschauer noch vor dem Ende der Namensnennung auf einen anderen Sender um.
Ehefrau klaute Strümpfe im KaDeWe
Trotz seines Hasses auf den Westen soll Schnitzler zur Deckung seines Konsumbedarfs in West-Berlin mit D-Mark eingekauft und Nachtlokale besucht haben. Auch seine vierte Ehefrau, Márta Rafael, konnte auf etwas Glamour wohl nicht verzichten. Ein Kaufhaus-Detektiv im KaDeWe ertappte sie beim Diebstahl von zwei Packungen Damenstrümpfen im Wert von 16,40 D-Mark.
Am 30. Oktober 1989 lief der Schwarze Kanal zum letzten Mal. Schnitzlers Worte zum Abschied: „Ich werde meine Arbeit als Kommunist und Journalist für die einzige Alternative zum unmenschlichen Kapitalismus fortsetzen.“ Schnitzler starb am 20. September 2001 in Zeuthen. Eine Aufnahme von Karl-Eduard von Schnitzler aus dem Jahr 1956.
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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