Buch über das Schicksal desertierter Nato-Soldaten
Eine Woche vor seinem 23. Geburtstag, am 12. Januar 1954, tat William D. Adkins etwas Verrücktes - aus unerwiderter Liebe, wie er vorgab. Der Leutnant der US-Armee desertierte und lief zu den Sowjets in der Garnison Amstetten in Österreich über. Dort bat er um politisches Asyl. Als Gründe nannte Adkins unter anderem seine Ablehnung gegenüber der amerikanischen Außenpolitik und die Rassendiskriminierung in den Vereinigten Staaten. In der Sowjetzone habe er Menschen angetroffen, die wirklich Frieden wollten.
Am 9. März wurde Adkins verlegt und traute seinen Augen nicht: Er war den Ostdeutschen übergeben worden. Er erhielt den Namen "Jack Foster" und sollte für die Staatssicherheit arbeiten. Im September des Jahres schrieb sich William Adkins als John Reed für ein Journalistik-Studium an der Universität Leipzig ein, heiratete und arbeitete als Reporter für den DDR-Rundfunk in Ostberlin. 1963 verschwand John Reed von der Bildfläche.
Der Politikwissenschaftler Peter Köpf nahm die Spur auf und konnte das Geheimnis um das Verschwinde klären. Adkins und ein Komplize lockten am Bahnhof Friedrichstraße einen jungen Westdeutschen zunächst in eine Bar im Ostteil der Stadt und später in eine Privatwohnung, wo sie ihn betäubten und seinen Reisepass, das Tagesvisum, 15 D-Mark und einige Kleidungsstücke abnahmen. Mit den gestohlenen Papieren passierte Adkins, der neun Jahre zuvor beschlossen hatte, sein Leben für den Kommunismus zu geben, problemlos den Grenzposten an der Friedrichstraße und fuhr mit dem Zug nach Kreuzberg. Seither hat niemand mehr etwas von ihm gehört oder gesehen.
Stimmen also Adkins Beweggründe und seine vorgebliche politische Gesinnung etwa gar nicht? Sollte er nur die kommunistischen Geheimdienste einlullen und William Adkins glaubwürdig wirken lassen - als Agent der anderen Seite? Peter Köpf hat Hinweise gefunden, die Letzteres möglich erscheinen lassen. In einer 1982 gemachten Aussage erklärte seine ostdeutsche Ex-Ehefrau, ihr geschiedener Ehemann habe für den "CIC", eine Militärstrafverfolgungsbehörde der US-Armee gearbeitet.
Eine unglaubliche Geschichte, die jede Fiktion übertrifft. Dass Soldaten aus der DDR in den Westen flüchteten, ist bekannt. Dass es auch Nato-Soldaten in umgekehrter Richtung taten, ist ein vergessenes Kapitel des Kalten Krieges. Peter Köpf hat es aus einer neuen, ungewohnten Perspektive geschrieben. Es sind private Geschichten von Deserteuren, die die Stasi "Freunde" nannte, aber wie Feinde behandelte.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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