Im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in der Berliner Straße 120 wird zurzeit ein ungewöhnliches Theaterstück geprobt: „Opdakh“.
Inszeniert wird es im Betsaal des Hauses von der Theatergruppe OfW. Vier Darsteller lassen in diesem Stück die bewegte Geschichte des alten Gebäudes aufleben. Sie geraten in einen Kampf mit einer der wohl wichtigsten, aber auch tückischsten Fähigkeiten des Menschen: der Erinnerung.
Autor des Stückes und zugleich sein Regisseur ist Philipp Urrutia. „Wir probten hier vor einiger Zeit ein anderes Stück“, sagt der Theatermann. „Dabei bekamen wir auch mehr von der Geschichte des Hauses mit. Ich selbst bin Pankower. Das Gebäude kannte ich vor allem von meinen Besuchen in der Bibliothek. Aber als wir dann immer mehr über das Gebäude erfuhren, ließ sie uns einfach nicht mehr los.“
Eröffnet wurde das ehemalige jüdische Waisenhaus vor 105 Jahren mit Unterstützung der Unternehmerfamilie Garbáty, die gleich nebenan eine Zigarettenfabrik betrieb. Zunächst wurden hier vor allem Zöglinge mit osteuropäischen Wurzeln betreut. Deshalb wählten die Theaterleute als Titel für ihr Stück auch das jiddische „Opdakh“, das für „Obdach“ gebräuchlich war.
1942 wurde das Waisenhaus durch den Reichsführer der SS geschlossen. Bis zum Ende des Zeiten Weltkrieges stellte die SS hier Pässe aus. „In der DDR wurde das Haus zuerst Botschaft von Polen, danach von Kuba, und dann lag es als Besitztum des Staates Israel in den 1990er-Jahren brach“, sagt Philipp Urrutia. Schließlich erwarb es die Cajewitz-Stiftung und ließ es sanieren. Es ist heute ein Haus der Bildung und Kultur. Mit der Idee, die Geschichte des Hauses in einem Theaterstück zu erzählen, rannte man bei der Cajewitz-Stiftung offene Türen ein. Seit Mitte März darf das Ensemble nun fast jeden Tag im Betsaal proben.
Im Stück spüren vier Forscher die in den Mauern des Hauses gespeicherte Erinnerung auf. Das ermöglicht ihnen eine neue Methodik. Mit deren Hilfe können Strahlen und Schwingungen der Geschichte ausfindig gemacht werden. So ist es den Forschern möglich, die Erinnerungen in den Mauern in Sprache umzuwandeln. Und so können sie auch in einen Dialog mit dem Haus treten und hören zu, was es zu erzählen hat - vom vergangenen Jahrhundert.
OfW steht übrigens für „Ohne festen Wohnsitz“. „Wir sind eine sehr internationale Truppe, kommen aus unterschiedlichen Ländern und alle hatten schon mehrere Wohnsitze“, erklärt Philipp Urrutia. So kommen seine Mitspieler zum Beispiel aus Brasilien, Neuseeland, den USA, aus Polen, Frankreich, Chile und natürlich aus Deutschland.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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