Tierschutzverein zieht die Notbremse – und kündigt Vertrag mit Sammelstelle

Für die Versorgung der tierischen Findelkinder muss der Tierschutzverein  rund 2,6 Millionen Euro aus eigener Tasche zahlen. | Foto: Josephine Klingner
  • Für die Versorgung der tierischen Findelkinder muss der Tierschutzverein rund 2,6 Millionen Euro aus eigener Tasche zahlen.
  • Foto: Josephine Klingner
  • hochgeladen von Josephine Klingner

Falkenberg. Der Tierschutzverein für Berlin (TVB) hat den Vertrag mit der amtlichen Tiersammelstelle zum Jahresende außerordentlich gekündigt. Der Grund: Der Verein bleibt größtenteils auf den Kosten sitzen.

Die Sammelstelle auf dem Gelände des Tierheims am Hausvaterweg ist das Berliner "Fundbüro" für herrenlose Tiere. Um es zu betreiben, bekommt der TVB vom Senat für jedes Tier eine Tagespauschale. 2014 waren es insgesamt 395 000 Euro. Lässt sich kein Besitzer ermitteln, werden Hunde nach fünf, Katzen nach drei Tagen in die Obhut des Tierheims überstellt.

„Das ist aber nicht das Ende. Sie müssen ja weiterhin versorgt werden und das kostet Geld“, sagt Ulf Hoffmann, Sprecher des Tierheims. Für Hund, Katze und Co., die von der Sammelstelle direkt ins Tierheim kommen, zahlt der TVB jährlich mehr als 2,6 Millionen Euro aus eigener Tasche. Geld, das der gemeinnützige Verein mit Spenden, Mitgliedsbeiträgen und Erbschaften einnimmt. „Wenn wir jetzt nicht die Notbremse ziehen, wird durch diese Schieflage die Existenz des Tierheims und dadurch auch der Tierschutz in Berlin aufs Spiel gesetzt“, sagt TVB-Präsident Wolfgang Apel.

Mit der Kündigung will der TVB ein Signal gegen die "chronische Unterfinanzierung“ setzen. Seit Jahren versuche er, das Land Berlin zu mehr Zahlungen zu bewegen. Trotz detaillierter Belege, die dem Senat vorlägen, sei es bislang zu keinem Ergebnis gekommen: „Niemand betrachtet sich als zuständig oder verantwortlich“, sagt Apel.

Dabei gebe es durchaus annehmbare Finanzierungsmodelle. In Jena und Essen bekommen Tierheime eine „Kopfpauschale“ für die Versorgung herrenloser Tiere – bis zu einem Euro jährlich pro Einwohner. Das würde bei 3,4 Millionen Berlinern und rund drei Millionen Euro Kosten ziemlich gut hinhauen. Oder Hamburg: Die Hansestadt trägt die Kosten, bis das Tier vermittelt ist.

Horst Spielmann, Tierschutzbeauftragter des Landes Berlin, begrüßt die Entscheidung des Vereins: „Die Situation in der Tiersammelstelle ist untragbar – sowohl unter finanziellen als auch unter Tierschutzaspekten. Die Kündigung könnte endlich Abhilfe schaffen.“ Er selbst habe den Vertrag wegen der zu geringen Zuschüsse schon mehrfach kritisiert.

Zudem erhalte der TVB nur für Hunde und Katzen eine Vergütung. „Falls es zu einem neuen Vertrag kommt, sollte er unbedingt auch die Aufnahme und die Haltung von Exoten und anderen Spezies in der Tiersammelstelle und im Tierheim absichern.“

Der Vertrag zur Tiersammelstelle wurde 2008 zwischen dem TVB und dem Lichtenberger Bezirksamt geschlossen. Eine mögliche Kostenübernahme durch das Land Berlin für die Versorgung im Tierheim werde darin gar nicht erwähnt, so der zuständige Stadtrat Andreas Prüfer (Die Linke). „Wenn der Tierschutzverein will, dass mehr Leistungen bezahlt werden, muss das vertraglich neu verhandelt werden.“, sagt er. Nun sei zunächst zu prüfen, ob die Kündigung rechtens ist. Wenn nicht, kann der TVB den Vertrag fristgemäß erst Ende 2016 beenden, so Prüfer. „In jedem Fall müssen wir aber darüber reden, denn der jetzige Vertrag deckt nicht die vom Verein geforderten Leistungen ab.“ JK

Autor:

Josephine Klingner aus Tegel

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 272× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 908× gelesen
Gesundheit und Medizin
Das Dominikus Krankenhaus informiert zur Robotik-Chirurgie bei Hüft- und Knieschmerzen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Moderne Behandlung bei Hüft- und Knieschmerzen
Informationsabend Robotik-Chirurgie

Hüft- und Knieschmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität und werden oft durch Verschleiß, Unfälle oder Fehlstellungen verursacht. Moderne Technologien wie die Robotik-Chirurgie bieten neue Möglichkeiten für eine präzisere und minimalinvasive Behandlung. Am 4. Januar laden wir Sie herzlich zu einem Informationsabend ein, bei dem Chefarzt Tariq Qodceiah, Leiter des Caritas Hüftzentrums, die Vorteile der Robotik-Chirurgie bei Hüft- und Knieschmerzen erläutert. Er erklärt, wie diese innovative...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 251× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.