Reißverschluss hoch und Bohrerblick: Präventionsprojekt „Gewaltfrei Lernen“ vermittelt Kindern Strategien bei Konflikten
Falkenhagener Feld. Schimpfwörter, Handgreiflichkeiten, Mobbing – nichts davon will die Siegerland-Grundschule in ihren Klassen dulden. Das Team aus Pädagogen und Sozialarbeitern setzt daher auf Prävention; zum zweiten Mal war in der Westerwaldstraße ein Trainer des Projekts „Gewaltfrei Lernen“ zu Gast.
Es ist der dritte Trainingstag mit Björn Rudolph vom Gewaltfrei-Lernen-Team, und die Siegerland-Schüler haben bereits eine Menge gelernt. Alle wissen, was zu tun ist, wenn jemand sie beleidigen, ausgrenzen oder angreifen sollte. Dass sie sich selber erst gar nicht zu so etwas hinreißen lassen sollten. Und auch, dass sie nie lachen dürfen, wenn andere gehänselt oder geschnitten werden. „Wer über andere lacht, verliert“, sagt Björn Rudolph und schaut fragend in die Runde. „Na, was denn eigentlich? Wer weiß das noch?“ „Der verliert Freunde!“, antworten die Kinder fast im Chor. Zufrieden schickt der Trainer seine Schützlinge in die Pause.
„Gewaltfrei Lernen“ ist ein Präventionsprojekt, das der gleichnamige Förderverein landesweit für Kitas, Schulen und Jugendfreizeitstätten anbietet. Das Training vermittelt Heranwachsenden im Alter ab drei Jahren verbale und körperliche Strategien gegen Ausgrenzung, Mobbing, Aggression. A und O am Konzept sind Bewegung und Teamwork. Weil die Schule zum Quartiersmanagementgebiet Falkenhagener Feld Ost gehört, hat sie für das Projekt 6000 Euro aus dem Senats-Förderprogramm „Soziale Stadt“ bekommen.
So wenig Theorie, so viel Praxis wie möglich lautet die Devise; Partnerspiele und Schauspiel-Einlagen sorgen für Spaß. „Kinder fällt das Lernen leichter, wenn sie dabei nicht immerzu stillsitzen müssen, und wenn es unterhaltsam zugeht“, sagt Björn Rudolph.
Der Trainer zeigt den Kindern beispielsweise, auf welche Körperhaltung es ankommt: „Reißverschluss nach oben“ nennt er die aufrechte Position mit erhobenem Kopf, die stark wirkt und Respekt verschafft; „Bohrerblick“ die Art, einen Beleidiger oder Angreifer zu fixieren. Beides übt er mit den Gruppen, damit sie es verinnerlichen – wichtig nicht zuletzt für die Stopp-Regel, die sich nach Wunsch von Schulsozialarbeiterin Miriam Bass in allen Klassen durchsetzen soll: „Wir möchten, dass diese Regel bei jedem Kind im Kopf ankommt. Außerdem ist sie verbindlich für die Erwachsenen. Lehrer, Erzieher, Sozialarbeiter, auch die Hausmeister.“
Laut dreiteiliger Stopp-Regel nimmt ein Kind, das von einem anderen beleidigt wird, zunächst die Reißverschluss-oben-Haltung samt Bohrerblick ein. Dann folgt die eindringliche Bitte, mit den Sticheleien oder Gehässigkeiten aufzuhören. Notfalls mehrmals. Führt das zu nichts, kündigt das betroffene Kind an, einen Erwachsenen zu holen. Bleibt alles wirkungslos, macht es genau das – berichtet dem Lehrer oder Erzieher aber unbedingt vom eigenen Versuch, den Streithahn zur Räson zu bringen. „Das gehört dazu“, erklärt Miriam Bass. „Es geht hier ja nicht ums Petzen, sondern um eine erfolgreiche Intervention bei Konflikten.“
Das Präventionskonzept der Siegerland-Schule schließt auch die Eltern ein. „Sie sollen nicht nur über alles Bescheid wissen“, sagt Schulleiter Michael Wegner. „Sondern uns möglichst Rückmeldung geben, ob die Kinder auch in der Freizeit die Strategien anwenden.“ bm
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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