Kulisse für Hollywood: Wie aus Schrebergärten eine moderne Großsiedlung wurde
Falkenhagener Feld. Spandaus jüngster Ortsteil ist kein Geheim-Tipp und auch kein Szene-Kiez. Seine Reize erkennt man zwischen all den Hochhäusern erst auf den zweiten Blick.
Schlafstadt, Betonsiedlung, sozialer Brennpunkt: Das Falkenhagener Feld beschreiben viele Schlagworte. Dabei hat der noch junge Ortsteil eine bewegte Geschichte und ist durchaus einzigartig in Berlin. Als städtische Großsiedlung entstand er Ende des 20. Jahrhunderts auf Gras, Sand und Feld. Es gab keine Straßenbeleuchtung, keine Bürgersteige und keine Entwässerung. Das änderte sich mit dem Bau der ersten Häuserreihen, die in den 1920er Jahren rund um die Zeppelinstraße entstanden und heute noch Spalier zum Eingang der Großsiedlung stehen. Bald darauf folgten Kleingärten, Wochenendhäuser und erste Siedlungen mit Einfamilienhäusern.
Nach dem Zweiten Weltkrieg dienten die Kleingärten als Notquartier für Vertriebene und wohnungslose Berliner. Anfang der 1960er Jahre war Wohnraum immer noch knapp in Berlin, weshalb gleich drei Großsiedlungen am Stadtrand West-Berlins entstanden: das Märkische Viertel in Reinickendorf, die Gropiusstadt in Neukölln und das Falkenhagener Feld. Diese Trabantensiedlungen wurden innerhalb kürzester Zeit aus dem Boden gestampft, um bezahlbaren und modernen Wohnraum zu schaffen. Die Bewohner waren überglücklich, endlich Wohnungen mit Bad, WC, Einbauküche und Zentralheizung zu habe. Einigen neuen Mietern im "Feld" fiel es allerdings schwer, sich von ihrem alten Lebensstil zu lösen. Sie brachten ihr Kleinvieh mit in die Neubauwohnungen und bauten für ihre Schweine, Hühner und Kaninchen Ställe auf den Balkonen.
Große Unterschiede, gemeinsamer Protest
Aber das ist lange her. Das Falkenhagener Feld ist mit mehr als 37.000 Einwohnern inzwischen der viertgrößte Ortsteil Spandaus. Neben türkischen Migranten, die in den 1970er Jahren in das Gebiet gezogen waren, folgten in den 1990er Jahren viele Russlanddeutsche, was nicht ohne Reibungen vor sich ging. Die meisten Bewohner aber sind mit dem Falkenhagener Feld tief verwurzelt. Das zeigte sich insbesondere in den 70er Jahren, als Proteste gegen weitere Bebauungspläne in der Siedlung aufkamen.
Heute engagieren sich im Ortsteil zwei Quartiersmangements, vier Kirchengemeinden, fünf Schulen, Kitas und Initiativen wie der Verein Stadtgeschichten oder der Bürger- und Gemeinwesenverein. Ende 2012 bekam das Falkenhagener Feld eine neue Stadtteilbibliothek, und die Jugendtheaterwerkstatt fand ein festes Haus in der Gelsenkircher Straße. Zwischen 2010 und 2012 wurde der Straßenraum der Westerwaldstraße zwischen der Zufluchtskirchengemeinde, dem Klubhaus und der Bibliothek zu einem zentralen Quartiersplatz umgebaut.
Das „Feld“ hat aber auch Kurioses zu bieten: Der ehemalige Kiesteich „wanderte“ abhängig vom Kiestagebau über Jahrzehnte durch den Kiez, bis er zum heutigen Spektesee hergerichtet wurde. Das höchste Haus steht am Einkaufszentrum an der Westerwaldstraße. Die moderne Skyline war bei Dreharbeiten für einen Jerry-Cotton-Film Kulisse für wilde Verfolgungsjagden mit amerikanischen Autos. Der berühmte Regisseur Rosa von Praunheim wohnte in den 1970er Jahren in der Westerwaldstraße 22. Und: Im Ortsteil wuchsen mit Helmut Kleebank, Gerhard Hanke und Carsten-Michael Röding ein Bürgermeister und zwei Stadträte auf.
Aktuelles städtebauliches Projekt im Falkenhagener Feld ist der Umbau der Zufluchtskirche an der Westerwaldstraße 16. Die Kirche zieht aus, eine Kita, ein Stadtteilzentrum und eine Catering-Küche ein. Der Gewinner-Entwurf des Wettbewerbs wurde bereits vorgestellt. uk
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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