Arbeiterwohlfahrt berät Menschen mit Geldproblemen
Ursula M. (Name von der Redaktion geändert) hat seit gut zwei Monaten regelmäßig einen festen Termin in der AWO-Schuldnerberatung im Klubhaus Westerwaldstraße. Für die 72-jährige Rollstuhlfahrerin ist es ideal, dass seit der Neueröffnung des Hauses im Jahr 2011 die dortigen Räume barrierefrei zugänglich sind. Der Grund für ihre regelmäßigen Besuche sind zwei Zahlen auf einer Liste. Ursula M. hat rund 17 000 Euro Schulden bei 15 Gläubigern.
Damit ist ihre Situation typisch für die Menschen, die in die Schuldnerberatung dienstags von 15 bis 17 Uhr kommen. "Die durchschnittliche Verschuldung unserer Klienten liegt bei 25 000 Euro", sagt Sozialpädagogin Julia Rosenthal, die die Beratungen durchführt.
Die Zahl gilt allerdings für alle von der AWO-Schuldner- und Insolvenzberatung in Spandau betreuten Menschen, deren Zentrale an der Wilhelmstädter Betckestraße 7 liegt. Wie groß jedoch der Bedarf im Falkenhagener Feld ist, zeigt sich daran, dass die AWO eine weitere Sprechstunde eingerichtet hat - in der Evangelischen Jeremia-Gemeinde, nur einen Katzensprung über die Falkenseer Chaussee vom Klubhaus entfernt. An der Westerwaldstraße ist sie seit 2005 vertreten, erst im alten, dann im neu hergerichteten Klubhaus. Seit der Neueröffnung im September 2011 hat sie 686 Beratungen im Rahmen des Sprechstundenangebotes durchgeführt.
Mit vielen anderen Klienten der Schuldnerberatung hat Ursula M. gemein, dass sie lange mit dem Gang zur Beratung gewartet hat, obwohl die Belastung immer größer wurde: "Ich habe zum Schluss nicht mehr schlafen können", sagt sie. Julia Rosenthal hat dies bei vielen Klienten erlebt: "Sie versuchen bis zuletzt, die Situation zum Beispiel mit weiteren Krediten zu retten, auch wenn das zu weiteren Schulden führt." Erst als ihr Freunde von guten Erfahrungen mit der Beratung berichteten, raffte sich Ursula M. dazu auf. Jetzt fühlt sie sich bei Julia Rosenthal gut aufgehoben, ist optimistisch, dass sie in sechs Jahren das Verfahren der Verbraucherinsolvenz abgeschlossen haben und damit schuldenfrei sein wird.
Dass sie einmal ein solcher Schuldenberg drücken würde, hatte sich Ursula M. nicht träumen lassen, als sie vor 43 Jahren ins Falkenhagener Feld zog. Sie wechselte aus einem Schöneberger Altbau in eines der neuen Häuser, ihr schwerkranker Mann war auf den Aufzug angewiesen. Der Mann starb, sie heiratete später noch einmal, zog insgesamt fünf Kinder groß. Der Weg in die Schuldenfalle begann schleichend.
Die Krankenpflegehelferin bekam es mit der Bandscheibe zu tun, irgendwann folgte Operation auf Operation. Phasen von Krankheit, Arbeitslosigkeit und Beschäftigung wechselten. Das Geld schien zu reichen, wenn auch knapp. "Ich habe immer umsichtig eingekauft", sagt Ursula M. von sich. Wurde das Geld zu knapp, ließ sie sich auf Ratenzahlungen ein. Heute weiß sie, dass sie damit eigentlich nur die Zinsen für den Kaufpreis zahlte, während die Schulden blieben und sogar größer wurden.
Bei anderen Klienten von Julia Rosenthal ist die Not sichtbarer. Da geht es um Mietschulden, können Stromrechnungen nicht bezahlt werden. Und Jugendliche geraten immer noch mit leichtsinnig abgeschlossenen Handy-Verträgen ins dramatische Minus.
Nach der ersten Beratung, in der vor allem ein Überblick über die Situation erstellt wird und Krisenberatung erfolgt, zum Beispiel wenn der Verlust der Wohnung droht, dauert es in der Regel noch gut vier Monate, bis die intensive Beratung beginnt. Sie soll im Idealfall in die Schuldenfreiheit oder zu einem für die Betroffenen vertretbaren Vergleich mit den Gläubigern führen. Die Sprechstunden können jedoch auch während dieser Zeit von den Ratsuchenden in Anspruch genommen werden, um unaufschiebbare Fragen oder Probleme zu besprechen. Für die AWO-Schuldnerberatung dienstags von 15 bis 17 Uhr ist daher eine Terminvereinbarung unter 36 28 38 66 dringend empfohlen.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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