Politisches Engagement mit harten Folgen
Seit vier Jahren unterstützt der Berliner Härtefallfonds Opfer der SED-Diktatur

BAB-Beratungsleiter Jens Planer-Friedrich und der Berliner Beauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Frank Ebert | Foto:  BAB / Werner Menke-Schersch
  • BAB-Beratungsleiter Jens Planer-Friedrich und der Berliner Beauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Frank Ebert
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In Diktaturen setzen sich Menschen, die sich in der Opposition politisch engagieren, großen Repressalien aus. Und selbst wenn das Regime zusammengebrochen ist, leiden diese Menschen weiter an den Folgen. Für die Verfolgten der SED-Diktatur gibt es daher einen Härtefallfonds. Redaktionsleiter Hendrik Stein sprach darüber mit dem Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (BAB), Frank Ebert, und dem Leiter der Abteilung Bürgerberatung und Beratung öffentlicher Stellen beim BAB, Jens Planer-Friedrich.

Warum wird der Härtefallfonds auch noch 35 Jahre nach Ende der SED-Diktatur und Mauerfall gebraucht?

Frank Ebert: Viele in der DDR politisch Verfolgte bekommen heute nur geringe Renten oder sind auf Grundsicherung angewiesen. Ein Teil dieser Betroffenen befindet sich in wirtschaftlich prekären Verhältnissen, die sich schnell zu Notlagen entwickeln können. In solchen Fällen soll der Härtefallfonds unterstützen. Es gibt ihn inzwischen in allen ostdeutschen Bundesländern.

Wie beeinflusst das erlittene Unrecht noch heute das Leben der Betroffenen?

Jens Planer-Friedrich: Da ist zunächst die materielle Ebene: Das SED-Regime hat politisch missliebige Menschen häufig schon in jungen Jahren in ihren Bildungs- und Berufskarrieren behindert. Sie durften kein Abitur machen oder studieren beziehungsweise keine höherwertigen Berufsausbildungen absolvieren. Nicht jeder von ihnen hatte die Chance, die Kraft oder das passende Alter, um nach 1990 noch einmal beruflich völlig neu zu starten. Dies beeinflusst die heutige wirtschaftliche Situation der Betroffenen. Zudem leiden nicht wenige Verfolgte auch unter gesundheitlichen Folgeschäden. Hafterfahrungen, aber auch Bespitzelungs- und Zersetzungsmaßnahmen haben körperliche und seelische Spuren hinterlassen.

Seit wann gibt es den Härtefallfonds in Berlin?

Frank Ebert: Den Fonds gibt es in Berlin seit November 2020. Der Senat hat ihn aufgelegt, nachdem der Aufarbeitungsbeauftragte die Politik zuvor immer wieder darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die vorhandenen Entschädigungsregelungen und Versorgungssysteme für Verfolgte der SED-Diktatur in einer Reihe von Fällen nicht greifen. Der Fonds ist aber keine Dauereinrichtung. Immer wenn ein neuer Landeshaushalt aufgestellt wird, beantragt unsere Behörde die notwendigen Gelder für den Fonds. Das Abgeordnetenhaus muss dem zustimmen.

Wer kann eine Hilfe beantragen und stehen 2024 noch Mittel zur Verfügung?

Jens Planer-Friedrich: Grundvoraussetzung ist eine Rehabilitierung, also eine gerichtliche oder andere amtliche Bescheinigung, dass man als Verfolgter der SED-Diktatur anerkannt ist. Zudem muss man seinen Wohnsitz in Berlin haben und sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinden. Eine weitere Voraussetzung ist, dass andere Kostenträger, wie zum Beispiel Jobcenter, Rentenversicherung oder Krankenkasse, nicht zuständig sind oder die beantragte Leistung dort abgelehnt wurde. Menschen, die selbst für die Stasi gearbeitet haben oder wegen einer vorsätzlichen Straftat länger als drei Jahre im Gefängnis waren, sind von der Unterstützung ausgeschlossen. Für dieses Jahr können noch Hilfen in Höhe von insgesamt etwa 20 000 Euro bewilligt werden.

Wofür können Betroffene das Geld aus dem Härtefonds einsetzen?

Jens Planer-Friedrich: Die Unterstützung erfolgt ausschließlich in Form von Sachhilfen. Bargeld wird nicht zur Verfügung gestellt. Auch laufende Kosten oder Schulden werden nicht übernommen. Hilfen können für Aus- und Fortbildung, Gesundheit, die Schaffung und den Erhalt von selbstbestimmten Wohn- und Lebensmöglichkeiten, technische Alltagshilfen, die Verbesserung der Mobilität oder Kommunikationshilfen beantragt werden. Im Bereich Gesundheit können zum Beispiel die Kosten für Brillen oder Eigenanteile bei Zahnbehandlungen übernommen werden, wenn die Krankenkasse und private Zusatzversicherungen dies nicht tun. Im Bereich Wohnen können wir Anschaffungen von Möbeln, Renovierungskosten oder alters- oder behindertengerechte Umbauten unterstützen.

Wer entscheidet über die Vergabe der Mittel?

Frank Ebert: Die Entscheidungen trifft der amtierende Berliner Aufarbeitungsbeauftragte – im Moment also ich – unter Mitwirkung eines aus zwei Personen bestehenden Beirats. Diesem gehören aktuell die SED-Opferbeauftragte beim Deutschen Bundestag Evelyn Zupke und der ehemalige politische Häftling Mario Röllig an. Eine Mitarbeiterin unserer Behörde bereitet die Anträge gemeinsam mit den Antragstellern vor und bringt sie zur Entscheidungsreife.

Wie vielen Menschen wurde bisher geholfen?

Jens Planer-Friedrich: Bisher haben 90 Menschen Unterstützungsleistungen aus dem Härtefallfonds erhalten.

Wie steht es um die Zukunft des Fonds?

Frank Ebert: Für 2025 sind für den Fonds 100.000 Euro im laufenden Haushalt gesichert. Auch für den nächsten Doppelhaushalt 2026/2027 wollen wir wieder 100.000 Euro pro Jahr beantragen.

Weitere Informationen zum Härtefallfonds für politisch Verfolgte der SED-Diktatur gibt es unter Tel. 24 07 92 62 und über den E-Mail-Kontakt haertefall@aufarbeitung-berlin.de.

Autor:

Hendrik Stein aus Weißensee

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