120 Jahre Straßenbahn-Geschichte
Festtage in Französisch Buchholz
Ganz Französisch Buchholz feierte am vergangenen Wochenende (10. bis 12. Juni 2022) endlich wieder die traditionellen Buchholzer Festtage. Bei mehreren tausend Besuchern und Bilderbuch-Wetter gab es im Ortskern an der Evangelischen Kirche, auf der Freilichtbühne an der Treffpunktgemeinde, auf dem Areal der Freiwilligen Feuerwehr Buchholz zum Tag der offenen Tür, an Verkaufsständen und auf modernen farbenprächtigen Karussells, tolle Angebote zum Vergnügen für das familienstarke Buchholz. Einige gemeinnützige Vereine, wie der Bunte Garten Buchholz und das Jugend- und Freizeitzentrum OKTOPUS und Riff hatten sich mit schönen Beispielen ihrer Kreationen an die Öffentlichkeit gewagt. Einige Parteien der Pankower BVV waren zugegen und brachten ihre Farben in das öffentliche Bild.
Der Bürgerverein Französisch Buchholz e. V. mit seinem neuen Vorstand als Organisator, hatte sich im März nach Corona entschließen können, das Fest durchzuführen, mit der knappen Zeit, die dafür noch blieb. Es gab viele BuchholzerInnen, die das fröhliche alljährliche Treiben in ihrem Ort schmerzlich vermissten. Deshalb wurde geklotzt und nicht gekleckert – und es wurden kurzfristig sämtliche Voraussetzungen geschaffen und die vom Senat geforderten Anmeldungen eingeleitet, zusammen mit dem Ordnungsamt Pankow, der Polizei Pankow, der Feuerwehr und professionellen Event-Managern.
Verena Such und Jessica Just organisierten ein tolles Bühnenprogramm, zusammen mit Buchholzer KünstlerInnen. Lars Bocian und Helmut Jansen zogen die berühmten „Strippen“ für alle Genehmigungen und verpflichteten einen „General“veranstalter. Anne Schäfer-Junker recherchierte und bereitete das Thema auf und besorgte die Plakat- und Flyerinformation mit der Gestaltung von Michael Schneevoigt. Daniel Hauer drückte beide Daumen für gutes Gelingen. Last but not least kümmerte sich der rastlose Rudi Beyer um die Organisation des gewaltigen Festumzuges mit allen interessierten Akteuren und Vereinen. Er war ständig auf Achse und gab die Reihenfolge vor: am Beginn des Festumzuges der Pankower Spielmannszug, dann folgten die historischen Pferdewagen und Kutschen der Fa. Obst, die schön geschmückten Blumen-Müller-Wagen und die Okptopus-Kreationen, und … und … und am Schluss die Buchholzer Feuerwehr mit ihrem Fahrzeug“park“ unter ständigen Einsatzsignalen – ein diszipliniertes, eindrucksvolles Gemeinschaftswerk.
Auf dem Festgelände wurde fast alles geboten – Tanzgruppen, Bands, Zumba und Karate von Ki-Dojo, Zauberei, Hüpfburgen, Kinderschminken und Höhenflüge: vor der Kirche im Riesenrad, das mit dem Kirchturm zu konkurrieren schien. Für mutige Kinder und Jugendliche lebensgroße Schwimmballons im Wasserbassin und Ponyreiten im kleinen Kreis. Kaffee und Kuchen in den Gemeindegärten und in der evangelischen Kirchengemeinde die Ausstellung „Seenotrettung auf dem Mittelmeer – eine Fotodokumentation von Christian Gohdes“.
Das Besondere der Festtage nach 2 Jahren Corona war das Thema der Festtage: Buchholz feierte 120 Jahre Straßenbahngeschichte mit einem Extra-Programm der Sonderklasse: der Pferdefuhrbetrieb Obst in Französisch Buchholz zeigte die ganze Pracht seiner Sammlung an Pferdeomnibussen und Kutschen. Kostenlose Fahrten ab Buchholz Kirche zum Hugenottenplatz – vom Bürgerverein für alle Gäste mit dem Pferdeomnibus „Buchholz Kirche – Brandenburger Tor“ ermöglicht. Die Kutscher hatten sich für die Festtagsgäste standesgemäß herausgeputzt. Erinnern wir uns daran, dass Heinz Rühmann 1958 in Buchholz als Kutscher Hartmann - der letzte Droschkenkutscher Berlins - für den Film „Eiserner Gustav“ auf seiner Reise Paris – Berlin eine Szene drehte und deshalb das Restaurant heute noch so heißt.
In der Ortschronik spielte für ein paar Stunden der SchachClub Französisch Buchholz. Einige interessierte Besucher wollten besonders die Ausstellung zur Straßenbahngeschichte und die originalen Archivalien zu Gustav Guyot und die Publikation „Totenblätter von Friedhof IX“ sehen. Bei der Freiwilligen Feuerwehr gab es würzig-schmackhafte Thüringer Bratwurst, gemütliches Treffen unterm Zelt, evtl. auch bei süffiger Erdbeer-Bowle.
Die Buchholzer Geschichte hat natürlich auch honorige Persönlichkeiten aufzuweisen, die die BesucherInnen auf früheren Festtagen in größerer Zahl und den für sie typischen Kostümierungen „nachahmten“. Da die Vorbereitungszeit auch hier knapp war, erschienen nur einige BesucherInnen in historischen Kostümen, wie unser Vereinsschatzmeister als Konrektor in fast barocker Uniform, ich als Ortschronistin ahmte Madame Sophie Luise Friederike de Lamprecht, Gräfin von Wylich und Lottum nach, deren Familie einstmals in einer Grabkapelle an der Buchholzer Kirche bestattet wurde. Die Buchholzer Festtage waren auch in diesem Jahr fröhliche Tage mit vielen Schaustellern, Künstlerinnen und Künstlern, ungezählten Kindern mit ihren Eltern. Alles begann mit der Eröffnung am Freitag Abend, es folgte das Feuerwerk Samstag Nacht und der traditionelle Festumzug vom Hugenottenplatz durch die Blankenfelder Straße in den historischen Ortskern zur Traditionsgaststätte zum Eisernen Gustav und dem Bühnenprogramm am Sonntag Nachmittag. Das ganze Fest wurde unterstützt von der SPARKASSE in Buchholz.
Keine historische Straßenbahn, auch nicht der bereits 1998 zum Buchholzer Frühling als Pferdebahn mit einem Zweispänner von Familie Obst gefahrene Wagen 573, war auf den langen Schienenweg von Köpenick nach Buchholz und wieder zurück zu bekommen – das Niederschönhausener Straßenbahndepot wurde vor Jahren durch die BVG geschlossen. Alle Traditionswagen werden in Köpenick instand gehalten von den kenntnisreichen Ehrenamtlern im Denkmalpflegeverein Nahverkehr.
Zur Geschichte: Die Idee der Realisierung einer Buchholzer Straßenbahn begann 1902 mit einem Gemeindebeschluss. Darauf folgt eine aufregende Verkehrsgeschichte des damaligen Berliner Vorortes, mit Höhen und Tiefen. Die erste Pferdebahn von 1904 bis 1907 wurde auf Gemeindekosten am damaligen Denkmalplatz, heute Pfarrer- Hurtienne-Platz, an der Buchholzer Kirche, bis zur Haltestelle Pankow-Heinersdorf gebaut. Dort bestand ein Anschluss an die Stettiner Eisenbahn. Von Buchholz aus konnte man bis in die 1920er Jahre dann bis zum Brandenburger Tor fahren.
Am 14. Dezember 1902, um 11.52 Uhr, setzte sich an dem damals äußersten Ende von Wittenau, das noch Dalldorf hieß, Berlins letzte Pferdebahn in Trab … Die quasi beendete Pferdebahn außerhalb des damaligen Berlin feierte allerdings im Sommer 1904 fröhliche Wiederauferstehung. Da das Netz isoliert war, wurden auf der Strecke von Bahnhof Heinersdorf nach Französisch Buchholz noch sechs Einspännerwagen der Berliner Straßenbahn drei Jahre lang benutzt. Am 19. Dezember 1907 wurde auch auf dieser Strecke der elektrische Betrieb nach Überwindung aller Schwierigkeiten eingeführt. (Quelle: Ortschronik Französisch Buchholz)
Anne Schäfer-Junker (anne.junker@gmx.de)
Autor:Anne Schäfer-Junker aus Französisch Buchholz |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.