Friedhof IX in Französisch Buchholz
Mahnwache gegen den Abriß der Gräber und Erbbegräbnisse auf dem Pankower Friedhof IX
Vor wenigen Stunden trafen sich ca. 30 Buchholzer Bürgerinnen und Bürger zu einer Mahnwache vor den historischen Begräbnissen, die auf Geheiß des Bezirksamtes Pankow Umbaumaßnahmen zum Opfer fallen sollen. Es sind die Begräbnisse aus dem 18. und 19. Jahrhundert, darunter einige der hugenottischen Familien, die Buchholz geprägt haben: Chartron, Guyot, Matthieu ...
Das, was in Erinnerung an uns bleibt, auch das Gedenken der Angehörigen am Grab, wird von einer Pankower Verwaltung im Moment durch eine teilweise „Umgestaltung der Friedhöfe“ vernichtet. Welch ein Frevel! Der kleine Rest, der noch von der Ortsgeschichte auf diesem Friedhof für das 18./19. Jahrhundert da ist, das was Französisch Buchholz mit diesem Namen – 1999 wieder rückbenannt – verbindet, soll nun auch noch ausgelöscht werden. Es geschieht in diesem Moment durch „Umbaumaßnahmen“.
Den Verantwortlichen gilt nur, was formal bei einem Ablauf der Liegezeiten von Gräbern beachtet wird. Aber, dass die Friedhofskultur nunmehr auf der Deutschen UNESCO-Welterbeliste als immaterielles Kulturgut steht, wird missachtet. Friedhofskultur ist ein Teil der kulturellen Geschichte, eben der Erinnerungskultur. Erinnerungskultur ist gerade für Deutschland ein hohes ethisches und rechtliches Prinzip.
Friedhöfe mit ihren Grabmälern sind Zeugen unserer Geschichte. Bei einem jüdischen Friedhof sind die Gräber für die Ewigkeit geschützt. Auch wenn die Nachfahren kaum oder nicht mehr da sind oder auch wenn sie sich nicht mehr um die Gräber kommen, so gehören diese doch zu unserer Erinnerungskultur – sie verkörpern die Friedhofskultur mit all ihren Aspekten.
Wer ist nicht schon mal über einen Friedhof gegangen und hat die Inschriften gelesen? Hat sich gefragt was waren das für Zeiten? Was waren das für Menschen? Kennen wir die Familiennamen noch? Und ja, die Nachfahren der Buchholzer Hugenottenfamilien leben noch. Die Chartrons, die Guyots, Matthieus usw.… hier kennt man sie noch. Die Straßennamen wurden beim Entstehen von Buchholz-West mit hugenottischen Namen gesegnet. Diese gibt es noch, und ja, auch die Nachfahren vieler Buchholzer Familien leben heute hier und pflegen ihre Gräber aus der jüngsten Zeit. Das sind ethisch gesehen ihre Gräber, auch wenn der Friedhof unter kommunaler Verwaltung steht. Wie kann unsere Zeit darüber einfach so hinweg gehen und auch nur ansatzweise beabsichtigen diese Gräber zu beseitigen. Dies geschieht gerade in Französisch Buchholz.
Der Friedhof IX – nun wie alle Friedhöfe, immaterielles Kulturgut deutschlandweit - ist geschichtlicher, humaner Bestandteil unseres Ortes. Lasst uns diesen mit allen Mitteln bewahren. Guyot, der ehemalige Ortsvorstand von Französisch Buchholz im 19. Jahrhundert, bat 1870 das königliche Domäneamt Mühlenbeck, eine Begräbnisstätte bei der Mühle anlegen zu dürfen. Das notwendige Land kaufte die gemeinde vom Bauern Guyot im Jahr 1871. Kurze Zeit später fanden die ersten Bestattungen statt. 1909 wurde die Trauerhalle erbaut.
Das bereits in den letzten Tagen Geschehene verlangt Eingriff gegen nicht öffentlich gemachte Umbaupläne. Es ist die Aufgabe der Zivilgesellschaft, der Freunde und Bewahrer der Kultur von Französisch Buchholz im Bezirk Pankow, sich einzumischen und das kulturelle Erbe öffentlich zu machen.
Eine kulturelle Gemeinschaft in einem Ort fängt mit der Geschichte des Ortes an. Hier soll Geschichte beseitigt werden. So geht es nicht. Wie kann die eine Verwaltung, welcher Form auch immer und zu welchem Aufgabenbereich sie auch immer gehört, über die Köpfe der Buchholzer hinweg, diese Veränderungen vornehmen ohne jeglichen Kontakt zu Nachfahren, zur Öffentlichkeit und ganz besonders zu den Bürgern von Französisch Buchholz?
Wie Geschichtsvergessen gehen wir mit diesem Erbe auf unseren Friedhöfen um. Wenn wir auf unsere jüdischen Friedhöfe schauen, können wir dringend etwas lernen. Die Gräber derer, die man noch bestatten konnte, und die, die dann namenlos verschwunden sind im Rauch der Krematorien – Aller Andenken wird bewahrt!
Was braucht es, damit wir uns dem gemeinsamen individuellen und öffentlichen kulturellen Erbe verbunden fühlen und es wirksam bewahren? Stoppen Sie in der Pankower Verwaltung die Vernichtung der Gräber und stellen Sie der Öffentlichkeit umgehend dar, wie die geschützten Hinterlassenschaften der Grabplatten, die schon abmontiert sind, bewahrt werden.
Friedhofskultur gehört seit 2020 zum Immateriellen Kulturerbe Deutschlands!
Wir fordern die Pankower Verwaltung auf, diese Kultur zu achten, zu schützen und zu bewahren! Heute, am 24.11.2020, wird dies hoffentlich auf der Tagesordnung der BVV-Pankow zur Sprache kommen!
Für alle engagierten Buchholzer Familien und Freunde sprechen die Hoffnung auf einen Baustopp aus: die Mitglieder der Interessengemeinschaft KULTURGUT-FranzösischBuchholz-BIENCULTUREL, der Bürgerverein Französisch Buchholz, der CDU-Abgeordnete Johannes Kraft, die Freiwillige Feuerwehr Buchholz, Mitglieder der Kirchengemeinde Französisch Buchholz.
UNESCO direkt:
Kultur und Natur | Deutsche UNESCO-Kommission
Bundesweites Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes | Deutsche UNESCO-Kommission
+++++++ Soeben teilt die CDU-Fraktion, Johannes Kraft, mit, daß das Bezirksamt auf einer öffentlichen Sitzung erklärt, einen Baustopp verhängen zu wollen. ++++++++
Französisch Buchholz 24.11.2020
Anne Schäfer-Junker (anne.junker@gmx.de )
Autor:Anne Schäfer-Junker aus Französisch Buchholz |
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