Was einen Buchholzer nach Westafrika führte
Bernd Rolle recherchierte zu seinem Urgroßvater

Bernd Rolle erfuhr erst vor wenigen Wochen, was es mit diesen zoologisch und ethnologisch Artefakten auf sich hat, die sich im Besitz seines Urgroßvaters befanden und die ihm sein Großvater hinterließ. | Foto:  Wähner
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Dass sein Urgroßvater mütterlicherseits, Otto Nette (1868-1936), Gemüsegärtner im Ortsteil und Anfang des vorigen Jahrhunderts Mitglied in der Berliner Rieselfeldkommission war, hatte Bernd Rolle bereits in Erfahrung gebracht. Aber durch einen Zufall stieß er nun auch auf die Tatsache, dass sein Vorfahre auch im Dienste des Deutschen Kaiserreiches in den damaligen Deutschen Kolonien in Westafrika tätig war.

Otto Nette war Gärtner im Botanischen Garten Berlin und wurde dort von der Botanischen Zentralstelle für den Kolonialdienst vorbereitet. Als gärtnerischer Leiter der dortigen Station Mole in Kamerun bestand seine Aufgabe darin, die dortige Pflanzenwelt zu erforschen, Pflanzen zu sammeln, zu bestimmen und für die Verschiffung nach Berlin reisefertig zu machen. Die Pflanzen landeten dann in der Tropischen Abteilung des Botanischen Gartens in Berlin. Für diese Aufgabe hatte die damalige Tropische Zentralstelle in Berlin entsprechende Forschungsmittel bereitgestellt, berichtet Rolle.

Dass er überhaupt so intensiv die Geschichte seiner Familie erforscht, hat seinen Grund, berichtet der Mitarbeiter des Umweltbüros Pankow. Nach seinem Tode vermachte Otto Nette nämlich seinen Nachlass an seinen Sohn Georg Nette. Als dieser 1982 verstarb, ging ein Teil des Nachlasses an den Enkel Bernd Rolle. „Ich begann mich damit aber erst intensiver zu beschäftigen, seit ich für das Pankower Umweltbüro in Blankenfelde Führungen anbiete“, gesteht der 58-Jährige. Vor allem aus dem Protokollbuch des Urgroßvaters, das ihm der Großvater hinterließ, erfuhr er viel Aufschlussreiches über die Blankenfelder Rieselfelder. „Ich laufe seit dem viel aufmerksamer durch diese Landschaft“, sagt er.

Zoologisch und ethnologisch
interessante Objekte

Im Nachlass seines Großvaters fand er aber nicht nur Schriftgut, sondern auch zoologisch und ethnologisch interessante Objekte wie eine Wurfpfeilspitze, einen Lendenschurz, ein Buschmesser, Schimpansenschädel, Gürtel mit Gewürzbehältnissen, einen Ebenholzlöffel und anderes mehr. Doch so richtig einzuordnen wusste er diese Artefakte zunächst nicht. Deshalb recherchierte er viele Jahre im Internet. Dabei bekam er mit, dass in der „Gartenflora. Zeitschrift für Garten- und Blumenkunde“ aus dem Jahre 1894 sein Urgroßvater erwähnt wurde. „Doch Zugriff auf diese Ausgabe hatte ich viele Jahre lang nicht. Erst vor wenigen Wochen wurde die komplette Ausgabe freigeschaltet“, berichtet Rolle.

Mit der freigeschalteten Ausgabe und darin enthaltenen Informationen konnte er nun mit schriftlichem Nachweis Licht in das bisher unbekannte Kapitel Lebensgeschichte seines Urgroßvaters bringen. „Die tropische Abteilung des Botanischen Gartens benötigte im Jahr 1892 Männer für eine Expedition nach Afrika“, berichtet Bernd Rolle. „Mein Urgroßvater meldete sich freiwillig und war von 1892 bis 1895 gärtnerischer Leiter der Station in Kamerun. Sechs Wochen dauerte damals die Überfahrt mit dem Schiff von Hamburg aus.“ Mit seiner gärtnerischen Arbeit in Kamerun trug Otto Nette letztlich dazu bei, dass man in Europa neue Erkenntnisse über tropische Pflanzen in Afrika gewinnen konnte. Denn er schickte lebende Pflanzen, Herbarien und auch Samen nach Berlin, die im Botanischen Garten landeten. Dort wurden sie unter anderem auch der Bevölkerung in Ausstellungen präsentiert, damit diese mehr über die tropische Pflanzenwelt erfahren konnte.

Gärtnereibetrieb in
Französisch Buchholz

Als Otto Nette 1895 wieder nach Deutschland zurückkehrte, machte er sich mit einem Gärtnereibetrieb in Französisch Buchholz, und zwar an der heutigen Hauptstraße 44 selbstständig. Die Gemüsegärtnerei Nette bestand bis ins Jahr 1945 und war ein angesehener Betrieb in Französisch Buchholz. Otto Nette war unter anderem auch Schriftführer im Vorstand des Verbandes der Gemüsezüchter Berlins.

Mitglieder dieses Verbandes bewirtschafteten auch die Rieselfelder im Norden des heutigen Bezirks Pankow, bauten dort Kohlrabi, Blumenkohl, Kopfkohl und Suppengemüse an. Damit sich die Gemüsebauern und der für die Rieselfelder zuständige landwirtschaftliche Güterdirektor Berlins regelmäßig zu Problemen austauschen konnten, wurde eine Rieselfeldkommission gegründet. Und in dieser führte Otto Nette von 1908 bis 1912 das Protokollbuch. Dass Bernd Rolle als Mitarbeiter des Umweltbüros nun auch regelmäßig Führungen über diese Rieselfelder im Norden des Bezirks anbietet und Informationen aus erster Hand vermitteln kann zeigt, wie sich manch Familienkreis schließen kann.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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