Französisch Buchholz gedenkt seines Ortschronisten
In Memoriam Dieter Geisthardt (1934-2023)
Zuerst ein Foto-Rückblick: Neben dem Foto von der Trauerfeier 22.6.2023 sehen Sie weiter unten ein Foto von Dieter Geisthardt im Juni 2013, als er die traditionellen Buchholzer Festtage besuchte. Ich konnte ihm im Kreise seiner Familie begegnen - fröhlich winkend. Heute gesehen wirkt das, wie sein Abschiedsgruß: seid nicht traurig, ich bin in Gedanken bei Euch!
Dieter war ein begeisterter Rechercheur und Heimatforscher. Seine Neugier, sein Scharfsinn, seine Ästhetik, sein Feingefühl, seine präzise Wortwahl und strenge Logik – sicher auch eine zwingende Voraussetzung für seinen Beruf als Elektro-Ingenieur - erlaubten es ihm, die bis in die Neunziger Jahre nicht umfassend verschriftlichte Geschichte von Buchholz Zeile um Zeile in vielen Wochen, Monaten und Jahren niederzuschreiben. Im Ehrenamt als Ortschronist von Buchholz hochgeschätzt und beliebt, war Dieter Geisthardt auch Ehrenmitglied des Bürgervereins Französisch Buchholz und Ehrenpräsident der Freiwilligen Feuerwehr Buchholz. Als ich ihm zur Ehrenamtsübernahme in der Buchholzer Ortschronik im Dezember 2012 begegnete, war ich überrascht, wie freudvoll und stolz er mir „sein“ Ehrenamt übergab. Ich hatte das Gefühl, daß er sehr glücklich war, endlich eine Nachfolge gefunden zu haben.
Ich empfand das als besondere und persönliche Verpflichtung und muss hier an diesem traurigen Tag gestehen, dass mich seine tiefe Begeisterung, für alles Historische und Lebendige in Französisch Buchholz forschend einzustehen und das große Interesse der hier Lebenden zu wertschätzen, bis heute begleitet.
Erst gestern (20.6.2023 mit dem Bürgerverein Französisch Buchholz), bei der Ehrung am Grab von Jenny und Albert Hurtienne auf dem Französischen Friedhof in der Liesenstraße, erinnerte ich mich der Ansprache unseres verehrten Dieter Geisthardt, als am 14. Mai 1994 der Kirchplatz in Buchholz in Pfarrer-Hurtienne-Platz umbenannt wurde.
Zu seinen Ehren zitiere ich hier aus seiner Ansprache, denn hier hat er, wie ich glaube, auch sein Vermächtnis formuliert, das heute immer noch gilt.
Die /Zitat/ „Vorfahren von Albert Hurtienne kamen 1689 aus Guines bei Calais nach Brandenburg. Der Große Kurfürst hat als evangelischer Christ der GEWISSENSFREIHEIT klassischen Ausdruck gegeben. So wurde die Toleranz zu einer Gestalt menschlicher Freiheit und Humanität überhaupt. Die Toleranz ist eine Ausdrucksform der Mitmenschlichkeit. Intoleranz verweigert die Respektierung dieser Würde. Somit ist die Toleranz nicht nur eine Gestalt der Freiheit sondern auch des Friedens. Wo sie waltet, ist das Leben und Zusammenleben unterschiedlicher Menschen möglich. Da werden Wege eines guten Miteinander gesucht und gefunden zum Wohle der Menschen und zum Frieden unter den Völkern.“ /Zitatende/
Er fand - auch mit Hilfe anderer Heimatforscher und der damals vom Bezirksamt Pankow gewollten Forschung vor der Bebauung von Buchholz-West - den berühmten roten Faden durch das Gewirr von Erinnerungen, Dokumenten, Zeichnungen, Plänen, historischen Fotos, Archivmaterialien und lebendigen Berichten der Buchholzer Einwohner und Einwohnerinnen. Besonders lag ihm die Geschichte und das Leben der Hugenottenfamilien am Herzen.
Zudem war es ein großes Glück, dass die Firma von Dr. Rolf Schneevoigt die Herstellung seiner Bücher übernahm – die oft in Gemeinschaft mit mehreren AutorInnen gemachten Manuskripte. So schuf er in diesen Gemeinschaften, u. a. mit Dr. Werner Gahrig, Barbara Mewis, Reinhard Demps und vielen anderen, in den Neunziger Jahren die Grundlagen für die Benennung der Straßennamen des „neuen“ Buchholz nach französischen Réfugiés, wie sie in der Ansiedlungsrolle von 1699 bereits enthalten waren.
Seiner Gesamtdarstellung der „Geschichten aus Französisch Buchholz“ in 4 Bänden bis 2006/2007 und der Chronik der Freiwilligen Feuerwehr als 5. Band im Jahr 2000 ist das überlieferte Wissen heute zu verdanken. Sein vergriffenes Buch „750 Jahre Buchholz, 1242 – 1992“ Chronik eines Ortsteiles“, erschienen im Freundeskreis der Chronik Pankow e. V., Februar 1992, war der Auftakt dazu.
Ein paar Jahre später, im Herbst 2000, erschien im Kulturamt Pankow zur „Geschichte des Ortsteils Französisch Buchholz VON MÄRKISCHER DERBHEIT ZU FRANZÖSISCHEM FLAIR“, eine hervorragende Leistung von Ines Rautenberg, Elke Röllig, Reinhard Demps, Dieter Geisthardt und Uwe Michas.
Zeitlich davor jedoch, im Mai 1999, wurde Buchholz amtlich und mit vielen Festgästen aus Politik und Gesellschaft in 13127 Berlin-Französisch Buchholz umbenannt. Dies war der krönende Höhepunkt der Arbeit unseres teueren Verstorbenen Dieter Geisthardt. Er hatte mit mehreren anderen Pankowern und Pankowerinnen, die Heimatgeschichte wissenschaftlich Erforschenden, und durch die Unterstützung der Berliner und Pankower Politik, für die Benennung von Französisch Buchholz die geistigen Voraussetzungen geschaffen.
Ihm zu Ehren habe ich als seine Nachfolgerin im Ehrenamt als Ortschronistin von Französisch Buchholz bereits am 1. und 2. Juni 2013, zusammen mit dem Bürgerverein Französisch Buchholz e. V. – besonders mit Jens Tangenberg; der Freiwilligen Feuerwehr Buchholz - besonders mit Oliver Rathenow als Wehrleiter, Dieter Berghaus als Verwalter und Lutz Großmann als Landesbeauftragten der Freiwilligen Feuerwehren Berlin; das damalige Traditionszimmer in der Buchholzer Feuerwache in Dieter-Geisthardt-Archiv umbenannt, genau 10 Jahre vor dem Tod von Dieter Geisthardt. Ich bin glücklich, dass er erleben konnte, wie sein Lebenswerk geschätzt, bewahrt und verstetigt wird und wurde.
Ich danke Ihnen allen, die daran mitgewirkt haben. Mit akribischer Ortschronisten-Sorgfalt hat er, soweit es ihm möglich war, den gesamten Buchholzer Friedhof mit seiner Geschichte und der einzelner Gräber beschrieben. Anhand historischer Fotos und Dokumente wurde, wieder von Dr. Schneevoigt, glücklicherweise im Frühjahr 2002 eine Broschüre veröffentlicht, die heute noch aussagestark ist. Der darin von meinem verehrten Vorgänger verschriftlichte Gedanke „Spaziergänge über Friedhöfe sind Exkursionen in die Geschichte“ begleitet uns bis heute. Scheinbar in weiser Voraussicht schrieb er schon 2002, am Ende seines wunderbar akribischen Textes, /Zitat/ „Wollen wir hoffen, dass sich die auf einer langen Tradition beruhende Friedhofskultur in Französisch Buchholz auch fernerhin erhält.“ /Zitatende/
Vor dem Hintergrund des Frevels im November 2020, als das Bezirksamt die historischen Erbbegräbnisse an der Mühlenstraße abreißen ließ und nur 10 Erbbegräbnisse durch Buchholzer und Karower Bürger und Bürgerinnen gerettet werden konnten, erlangt die Arbeit von Dieter Geisthardt dokumentarische Bedeutung. Noch immer harren wir der Sanierung der Erbbegräbnisse und des Wiederaufbaus der zerstörten 15 Gräber. Deren Dokumentation haben wir temporär als ständig zu erneuernde Legenden an den Bauzäunen entlang der erhaltenen Erbbegräbnisse angebracht.
Hier an diesem Ort verneigen wir uns vor Dieter Geisthardt, in Verehrung und mit Hochachtung vor seinem aufrechten Gang. Wir werden ihn stets in tiefer Erinnerung behalten und in Hochachtung verehren. Seine sterblichen Überreste sind nun am gleichen Ort bestattet, wie dem seiner Frau Edeltraut auf dem Friedhof in Französisch Buchholz.
Anne Schäfer-Junker (anne.junker@gmx.de )
Autor:Anne Schäfer-Junker aus Französisch Buchholz |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.