80 000 Euro Bußgeld für Leerstand
Friedenau. Bis zu 44 000 Wohnungen stehen in Berlin leer. Diese Zahl nannte zu Jahresbeginn die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Gleichzeitig herrscht Wohnungsmangel. Ein Ärgernis. In Friedenau macht es sich an einem Haus in der Odenwaldstraße fest.
Das einst stattliche Gebäude im Gründerzeitstil, Baujahr 1904, mit Jugendstilelementen an der Fassade und 16 Wohnungen dämmert seit 20 Jahren vor sich hin und verfällt zusehends.
Die Eigentümerin, eine Mittsiebzigerin, besitzt noch zwei weitere Häuser in Wilmersdorf und Wedding. Sie befinden sich in einem ähnlich verwahrlosten Zustand. Die Seniorin selbst wohnt in Lichterfelde. Auch ihr Privathaus ist in keinem guten Zustand. Ansprechbar ist die alte Dame nicht.
Im Friedenauer Fall hat die Ordnungsstadträtin Christiane Heiß (Grüne) ein Bußgeld über 80 000 Euro gegen die Eigentümerin verhängt. Grundlage ist das Berliner Zweckentfremdungsverbotsgesetz. Auch Leerstand ist eine Zweckentfremdung von Wohnraum. Das Bußgeld, ließ Heiß wissen, sei „in Vollstreckung“. Die Forderung werde wohl ins Grundbuch eingetragen. Anschließend könnte der Bezirk versuchen, seine Forderung über eine Zwangsversteigerung des Hauses einzutreiben. Bau- und Wohnungsaufsicht sowie die Abteilung für Zweckentfremdung sind mit dem Fall betraut.
„Liebe Leute, es kommt Schwung in die Sache“, mailte Ingrid Schipper an Mitstreiter und Interessierte. Schipper ist Gründerin und Sprecherin der im April 2016 als „Leerstands-Gruppe“ entstandene Nachbarschaftsinitiative Friedenau.
Sie setzt sich dafür ein, dass das Haus in der Odenwaldstraße wieder bewohnbar gemacht wird. Mit Veranstaltungen vor dem Haus machte sie den Fall bekannt. Die Initiative sammelte 225 Unterschriften der Empörung und schickte sie an die Bausenatorin Katrin Lompscher (Die Linke).
Gern würde die Initiative das Haus selbst nutzen. Ein Wohnprojekt ist bereits in Grundzügen entwickelt: eine umfassende Öko-Sanierung, barrierefreie Erdgeschosswohnungen für pflegebedürftige ältere Menschen, die Ladenwohnung als Kita oder Hort, Radunterstände und -werkstätten in den Souterrain- und Kellerräumen und eine kleine Gästewohnung. „Die soziale Zusammensetzung sollte generationsübergreifend sein“, schreibt Ingrid Schipper im Vereinsblog (http://leerstand-friedenau.blogspot.de/).
Auf die Unterschriftenliste antwortete Lompschers Staatssekretär Sebastian Scheel (Die Linke): „Natürlich setze auch ich mich dafür ein, dass die in der Koalitionsvereinbarung zur Thematik festgelegten Instrumente angewendet beziehungsweise verschärft werden.“ Der Senat hat angekündigt, das Enteignungsgesetz zu verschärfen.
„Enteignungen dürfen niemals normales Instrument der Stadtplanung sein“, meint dazu der Tempelhof-Schöneberger CDU-Bundestagsabgeordnete Jan Marco Luczak. Eine Zwangsenteignung sei immer eine Bankrotterklärung einer Verwaltung. „Die Zeiten, in denen Menschen in Deutschland enteignet wurden, sollten in das Geschichtsbuch gehören“, so Luczak. Wer, wie im Friedenauer Fall, Menschen gängele, ihnen drohe und empfindliche Bußgelder verhänge, dürfe sich nicht wundern, wenn kein vernünftiger Dialog mit ihnen zustande komme.
„Wir lassen nicht locker“, sagt Ingrid Schipper. Die Gemeinschaft müsse aktiv werden können, wenn der Umgang Einzelner mit ihrem Eigentum das Wohl der Allgemeinheit schädige. KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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