Flora bewohnen
Nachbarschaftsinitiative entwickelt Konzept für Leerstandhaus
Seit vielen Jahren steht das Jugendstilhaus an der Ecke Odenwald- und Stubenrauchstraße leer. Seit vor zwei Jahren eine Gruppe von Friedenauern den Leerstand entdeckt hat, ist das Haus ein Politikum.
Die Gruppe von Anwohnern nennt sich inzwischen Nachbarschaftsinitiative Friedenau, hält jeden Sonnabend mit kreativen Plakaten vor dem Haus kleine Demos ab, korrespondiert mit Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke), hat eine innige Beziehung zu dem alten Gebäude mit 16 Wohnungen, einer Souterrain- und einer Ladenwohnung entwickelt und kann nicht begreifen, dass die Eigentümerin nicht zu bewegen ist, „diesen Leerstand auch nur ansatzweise zu beenden“.
Die Initiative macht sich viele Gedanken: nicht nur über das Wie, um das Haus „dem Spekulationsmarkt“ zu entziehen und wieder bewohnbar zu machen, wobei sie hier auf das seit Mai verschärfte Zweckentfremdungsverbotsgesetz hofft – sondern auch über seine künftige Bestimmung. Zusammengefasst hat sie das jetzt in einem Nutzungskonzept unter dem Titel „Flora bewohnen“. Flora, weil ein Relief an der Fassade die Göttin der Blüte zeigt, soll als genossenschaftlich organisiertes, „gemeinschaftliches, integratives Hausprojekt“ wiederbelebt werden. Wunschpartner ist die gemeinnützige Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE), eine Treuhänderin des Landes Berlin.
Nach einer „maßvollen, nachhaltigen und ökologisch durchdachten“ Sanierung könnte das barrierefrei gestaltete Erdgeschoss ein Senioren-Café, eine Kita, einen Hort oder ein Nachbarschaftszentrum mit Kiezküche und Café beherbergen, die Souterrain- und Kellerräume Radunterstände, Werkstätten oder Musikübungsräume.
Das Dachgeschoss eignete sich für Ateliers und/oder eine begrünte Terrasse, die alle Bewohner gemeinschaftlich benutzen können, das Grün vor und hinter dem Haus für ein „Urban-Gardening“-Projekt. Die 16 Wohnungen bleiben erhalten. Eine kleine könnte als Gästeunterkunft oder Gemeinschaftsraum dienen.
Die Nachbarn haben hier aber nicht Halt gemacht und als Varianten drei weitere Nutzungskonzepte entwickelt. Eines sieht zu 70 Prozent „integratives Wohnen“ vor, eine Gästewohnung und drei barrierefreie Wohnungen. In zwei weiteren Varianten sind Wohngemeinschaften unterschiedlicher Anzahl und unterschiedlichen Zuschnitts angedacht.
Stadtentwicklungsstadtrat Jörn Oltmann (Grüne), siehtnicht, dass das Haus in der Stubenrauchstraße in absehbarer Zeit bewohnbar wird. Der finanzielle Aufwand einer Sanierung wäre immens. Oltmann ist skeptisch, ob der Einsatz von Steuermitteln dafür gerechtfertigt ist und woher diese Mittel überhaupt kommen sollen: aus dem Bezirkshaushalt oder vom Land Berlin. Weshalb Jörn Oltmann es begrüßen würde, wenn eine städtische Wohnungsgesellschaft sich der Sache annähme und der Eigentümerin ein Angebot unterbreite. Die sei als Verhandlungspartnerin notwendig, betont der Stadtrat mit Blick auf Eigentumsfragen, über die sich die Nachbarschaftsinitiative salopp hinwegsetzt. Der Stadtrat kündigt an, die Bauaufsicht werde darauf achten, das vom Haus keine Gefahr ausgeht. So bleibt „Flora bewohnen“ vorerst ein Blütentraum.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.