Zu viel Leerstand in Friedenau
Steigende Mieten, Luxussanierungen oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verändern zunehmend das soziale Gefüge in Friedenau.
Das will die Ortsgruppe der Grünen festgestellt haben.
Annabelle Wolfsturm, Direktkandidatin für das Abgeordnetenhaus, hat in Immobilienportalen im Internet recherchiert. Ihr Résumée: Wer eine 70 Quadratmeter große Wohnung sucht, findet nichts für einen Warmmietpreis unter 1000 Euro. Wolfsturm weiß auch von der Zusammenlegung „noch bezahlbarer“ Dreizimmerwohnungen und dem anschließenden Verkauf dieser größeren Wohnungen. Als Beispiel nennt sie das Wohnhaus an der Ecke Görres- und Eschenstraße. „Derzeit gibt es keine Rechtsmittel, um hier eine Umwandlung zu verhindern“, so Reiner Wild vom Berliner Mieterverein in einer Diskussionsrunde der Grünen mit Bürgern im Gemeindesaal Zum Guten Hirten. Friedenau sei kein Milieuschutzgebiet. „Friedenau wird auch kein Milieuschutzgebiet“, sagt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), Ralf Kühne.
Die Politik sieht dazu bisher keinen Anlass. Die Mieten sind noch relativ gering, weil kaum ein Mieterwechsel stattfindet. Der Anteil von Hauseigentümern, die selbst in ihren Häusern wohnen, ist relativ hoch. Die Veränderung geht schleichend vor sich. Friedenaus Bevölkerung altert zusehends. Der Durchschnitt liegt bei knapp 43 Jahren. Laut Mikrozensus von 2011 – neuere Zahlen liegen nicht vor – sind ein Fünftel der gut 45 000 Einwohner Senioren. Sie lebten in großen Wohnungen und könnten oft gar nicht in kleinere umziehen, so Erika Christian und Karin Böttcher von der Seniorenvertretung Tempelhof-Schöneberg. Die seien viel zu teuer. Und wer als Rentner auf Sozialhilfe angewiesen sei, dem bleibe bei einer Modernisierung „bestenfalls“ der Weg ins Pflegeheim.
Übernehmen schließlich Erbengemeinschaften eine Immobilie, wird sie zumeist an „externe Eigentümer“ verkauft, die keinen Bezug zum Kiez hätten, so Mietexperte Wild. „Viele Rentner haben Angst“, sagen Erika Christian und Karin Böttcher.
Ein nicht zu vernachlässigendes Problem sind leerstehende Wohnungen. 710 sollen es sein – von insgesamt den 24 966 Wohnungen im Stadtteil, die zu 98,7 Prozent in Privatbesitz sind. Hinzu kommen 139 Ferienwohnungen.
Beispiele: An der Odenwald-, Ecke Stubenrauchstraße steht ein Haus seit zehn Jahren leer und verfällt. In der Offenbacher Straße stehen viele Wohnungen leer. Den verbliebenen Mietern werden sie teuer zum Kauf angeboten. Ein Ladengeschäft am Varziner Platz steht seit 2013 leer, trotz regem Interesse von Gewerbetreibenden, es anzumieten. Auch einige Wohnungen in dem Haus sollen nicht bewohnt sein.
Seit Mai 2014 gilt in Berlin das Zweckentfremdungsverbotsgesetz, ein ziemlich zahnloser Tiger, wie es scheint. Die Wohnaufsicht in den Bezirken habe zu wenig Personal, um Anzeigen konsequent nachzugehen, sagt die Abgeordnete und Wohnungspolitikexpertin der Grünen, Katrin Schmidberger,bei einer Diskussion zum Thema. Dazu sei das bei einem Verstoß maximal verhängte Bußgeld von 50 000 Euro „ein Witz“, kritisiert Schmidberger. „Das zahlen manche Immobilieneigentümer aus ihrer Portokasse.“
Reiner Wild vom Berliner Mieterverein zeigt einen anderen Weg auf, den das Wohnaufsichtsgesetz bietet. Ein Dritter bewirtschaftet treuhänderisch die leerstehenden Wohnungen. Wild räumt gleichzeitig ein, dass Sanierung und Instandhaltung im Fall der Friedenauer Häuser enorm teuer wären. Wer also soll Treuhänder sein?
Der Bezirksverordnete Ralf Kühne schlägt vor, mit den Eigentümern das Gespräch zu suchen, um zu klären, warum die Wohnungen nicht vermietet werden, und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Im schon dicht bebauten Friedenau ist Wohnungsneubau schwierig. Was beim Blick auf den Stadtplan als freie Fläche ins Auge fällt, ist das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Wilmersdorf. „Dort haben wir 3500 Wohnungen in der Pipeline“, sagt Ralf Kühne. Im laufenden Jahr werde der Bebauungsplan festgesetzt, ist der Bezirksverordnete überzeugt. KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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