Das Problem mit der Schuldistanz
An der Prignitz-Schule mit Förderschwerpunkt Lernen gab es die meisten Schwänzer in Berlin im zweiten Schulhalbjahr 2016/2017. So will es die Bezirksverordnete Astrid Bialluch-Liu (Grüne) herausgefunden haben.
An der Schule in der Pöppelmannstraße 2 werden rund 100 Schüler unterrichtet. Im genannten Zeitraum habe die Prignitz-Schule beim Schulamt insgesamt 45 Schulversäumnisanzeigen gemacht. Dabei entfielen auf einzelne Schüler mehrere Meldungen, erläutert Schulstadtrat Oliver Schworck (SPD).
Für ihn ist es wenig seriös, aufgrund solcher Zahlen statistische Vergleiche mit anderen Berliner Schulen anzustellen. Es dürfe gerade beim Förderschwerpunkt Lernen nicht verwundern, dass das Schwänzen ein Problem darstellt, sagte der Stadtrat in einer Debatte in der Bezirksverordnetenversammlung im Januar. Das Schulamt sehe für die Prignitz-Schule keinen besonderen Handlungsbedarf, so Schworck. Ebenso wenig scheint der Dezernent etwas von der Verwaltungsvereinbarung zum Thema „Schuldistanz“ zu halten. Die Vereinbarung von Jugendhilfe und Schule in den Bezirken geht auf einen Auftrag des Abgeordnetenhauses zurück, um die Prävention gegen Schulschwänzen voranzutreiben und die Schulpflicht konsequent durchzusetzen. Sieben Bezirke hätten die Vereinbarung bereits unterzeichnet, sagt Astrid Bialluch-Liu vor.
Dazu sagt Stadtrat Oliver Schworck, die meisten Schulschwänzer und ihre Eltern seien dem Schulamt und dem Jugendamt bereits bekannt. Doch das Schulamt leide unter Personalengpässen. Und Bußgelder gegen Familien zu verhängen, die zum Großteil davon befreit sind, für die Schulbücher ihrer Kinder zu zahlen, mache wohl den wenigsten Eindruck. Bußgelder als wirksames Mittel, wie es Schworcks Parteigenossin, Bildungssenatorin Sandra Scheeres, sieht, hält der Dezernent für eine „steile These“.
Das Schwänzen kann die Prignitz-Schule erklären. Viele Schüler haben Versagensängste und üble Erfahrungen mit Mobbing. Weil sie auffällig sind, werden sie ausgegrenzt. Viele sind sogenannte Intensivstraftäter. Bei mehr als 75 Prozent wurde eine psychische Erkrankung festgestellt. Die Prignitz-Schule kann einen ganzen Katalog an Gegenmaßnahmen präsentieren. Er reicht von der allmorgentlichen Kontrolle in den Klassen und Anrufen bei Eltern, Einladungen zum Gespräch sowie einer Attestpflicht vom ersten Tag des Fehlens an über duales Lernen und Hausbesuche bis hin zum Einschalten des Jugendamts, des Familiengerichts und der Polizei. Manche Maßnahmen führen zu nichts, weil Eltern häufig telefonisch nicht zu erreichen sind oder nicht aufmachen.
Die Schule wünscht sich eine noch stärkere Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, um Einzelfall- und Familienhilfe anzubieten. So könnten Familien schon vor Unterrichtsbeginn aufgesucht werden, um die Jugendlichen zu treffen und sie zur Schule zu begleiten. „Es wäre sicher auch hilfreich, wenn Schulversäumnisanzeigen nicht nur zu einem ermahnenden Brief führen, der von manchen Eltern eventuell nicht einmal gelesen werden kann“, heißt es von der Schulleitung.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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