Ungewöhnliche Kunstgruppe stellt aus
Seit einem Jahr treffen sich Menschen mit Einschränkungen und sind gemeinsam kreativ
Eine kleine, aber besondere Ausstellung läuft derzeit im Café Sterntal, Rheinstraße 10. Dort sind rund ein Dutzend Werke von Menschen mit Behinderungen zu sehen.
Begonnen hat alles vor gut einem Jahr mit einer Kunstgruppe, ins Leben gerufen von Integrationserzieherin Michaela Lubenow, Kunsttherapeutin Maria Möller und Kunststudentin Florine Kirby. Alle drei arbeiten bei dem freien Träger Sterntal, der Menschen mit Einschränkungen im Alltag begleitet. „Wir haben den Luxus, dass unser Träger uns machen lässt“, sagt Lubenow. Und so gibt es inzwischen etliche nicht alltägliche Aktivitäten für die Klienten: Ausflüge, Sommerfeste, Kochvideos, gemeinsames Gärtnern.
Es fehlte aber noch etwas Kreatives. Also organisierte das Frauentrio monatliche Kunsttreffen. „Anfangs kamen vier Teilnehmer, jetzt sind es bis zu fünfzehn“, erzählt Maria Möller. Jedes Mal geht es um ein neues Thema: Patchwork, Tintenmalerei, Töpfern, Malen nach Musik oder Märchenmotiven, Fotografieren, Notizbücher gestalten und, und, und. Fürs Action Painting zog die Gruppe aufs Tempelhofer Feld, hängte ein Laken zwischen Bäume und bewarf es mit Farbe – und vollem Körpereinsatz. Aufregung gab es auch bei der Geschirrinstallation aus Scherben. Denn einige der Klienten kostete es Überwindung, etwas zu tun, was normalerweise nicht erlaubt ist – Intaktes zu zerstören.
In die Gruppe kommen Personen mit Trisomie 21, Autismus und anderen Einschränkungen. „Bisher gab es aber noch keine Krise, denn unser Team ist tiefenentspannt“, sagt Michaela Lubenow. Was meint sie mit Krise? Behinderte Menschen reagierten oft stark auf Störungen der gewohnten Abläufe, erklärt sie. „Wenn zum Beispiel der Bus zu spät oder gar nicht fährt, kann das Verzweiflung auslösen.“ Oder der Arbeitstag in der Werkstatt war ungewöhnlich anstrengend. Oder die Gruppe soll sich in einem neuen Raum treffen. Dann heißt es für die Betreuerinnen, Sicherheit und Ruhe auszustrahlen und die Wogen zu glätten.
Das künstlerische Schaffen gebe den Teilnehmern viel, sagen die Frauen. An oberster Stelle stehe, dass sie gerne kommen, Gemeinschaft und Zugehörigkeit fühlten. Und sie haben die Möglichkeit zu zeigen, dass sie etwas schaffen können und niemand sie auf ihre Behinderung beschränken sollte. „Auch der Mensch mit Trisomie 21 kann eine äußerst coole Socke sein“, so Lubenow. Maria Möller ergänzt: „Natürlich hat Kunst auch immer etwas Therapeutisches, Unbewusstes drückt sich aus.“
Die Ausstellung wurde zum einjährigen Bestehen der Gruppe organisiert. Die Künstler konnten ihre Werke bei der Vernissage stolz präsentieren. Ebenfalls sehr stolz sind sie darauf, das eines ihrer Bilder bei der Kampagne „Du bist am Zug“ an Bushaltestellen in der ganzen Stadt zu sehen ist.
Wer sich die Ausstellung anschauen und vielleicht sogar ein Bild kaufen möchte, hat noch bis zum 29. November dazu die Gelegenheit. Das Café Sterntal ist dienstags bis freitags von 10 bis 16 Uhr geöffnet.
Das Café selbst ist übrigens ebenfalls ein Inklusionsprojekt des Trägers Sterntal, dort arbeiten Menschen mit Einschränkungen und es ist behindertengerecht ausgestattet. Bekannt ist es besonders für sein Mittagessen und seine Kuchen.
Etwas Neues wurde im April ausprobiert, nämlich ein Kleidertausch. Das kam in der Nachbarschaft so gut an, dass am Donnerstag, 14. November, von 16.30 bis 19 Uhr eine Wiederholung ansteht. Wer dabei sein will, meldet sich an unter Nele.dittner@sterntal.de.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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