"Die Hitlerei vernichtet mich erst jetzt"
Verfahren für Gedenktafel für Kurt Gudell stockt
Ein weiteres Mal wird sich der BVV-Ausschuss für Bibliotheken, Bildung und Kultur mit der Gedenktafel für Kurt Gudell beschäftigen müssen.
Die Angelegenheit geht mittlerweile ins fünfte Jahr. Im Dezember 2015 hatte die CDU-Fraktion erstmals den Prüfantrag an das Bezirksamt in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) eingebracht, ob nicht die Anbringung einer Gedenktafel am Gebäude Potsdamer Straße 186, dem sogenannten Kathreiner-Haus, möglich sei. Dort wird übrigens das Berliner Verwaltungsgericht einziehen.
Mit der Tafel, mit der sich der Bezirk so schwer tut, soll an Kurt Gudell erinnert werden. Weil homosexuell, wurde der promovierte Wirtschaftsjurist von der NS-Strafjustiz verfolgt. Sein Doktortitel wurde ihm aberkannt. Er kam in KZ-Haft, wurde ausgebürgert und verlor sein Vermögen. 1938 emigrierte Gudell nach Polen, anschließend über Italien in die Schweiz. Auch dort wurde er 1944 ausgewiesen, laut Bericht der Petititonskommission des Schweizer Nationalrats vom 6. März 1950 angeblich aufgrund von Denunziation „politisch verdächtiger“ Schweizer und Deutscher im Land. Gudell entkam nach Österreich.
Ab 1952 lebte er wieder in Berlin – krank, verarmt und ohne Aussicht, seinen Beruf erneut ausüben zu können. Das NS-Urteil zu seiner Homosexualität galt weiterhin und Gudell als „rechtmäßig bestrafter Krimineller“. „Die Hitlerei vernichtet mich erst jetzt“, schimpfte Gudell 1952. Aufgrund der Vorstrafe war er von Entschädigungsleistungen ausgeschlossen. Gudell starb 1964.
Die landeseigene Berliner Immobilienmanagement (BIM) GmbH hat der Anbringung der Tafel zugestimmt. Der entsprechende Text wurde dem Kulturausschuss vorgelegt und mit Ergänzungen beschlossen.
Das ist der Stand aus dem Sommer 2017. Warum aber ist das Verfahren zur Ehrung Kurt Gudells seither ins Stocken geraten? Die Antwort ist banal. Wieder einmal liegt es an der personellen Situation in der Verwaltung. Barbara Feller von der Pressestelle des Bezirksamts konnte dieser Tage jedoch mitteilen, dass das Personal jetzt vorhanden sei. So werde „auch diese Ehrung von Kurt Gudell zeitnah vollendet werden“.
Eine weitere gute Nachricht zu Gedenktafeln im Bezirk ist zu vermelden: Das falsche Geburtsdatum auf der Tafel von Kurt Tucholsky am Gebäude Bundesallee 79 ist gegen das richtige, den 9. Januar 1890, ausgetauscht.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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