Das Nachtcafé für Obdachlose wird 20 Jahre alt
In den bitterkalten Tagen Ende Januar war die Goßlerstraße 30 die wichtigste Adresse für einige Menschen ohne Obdach. In den Räumen der evangelischen Kirchengemeinde "Zum Guten Hirten" können bis zu 18 Leute übernachten und sich mit warmen Speisen aufwärmen. Einen grundlegenden Dienst an der Gesellschaft nennt Koordinatorin Claudia Kunze das, was momentan gut 30 Ehrenamtliche hier leisten. Unterstützt werden sie von acht Honorarkräften, die die Nacht über vor Ort bleiben. "Die wenigsten unserer Mitarbeiter sind ausgebildete Fachkräfte oder Sozialarbeiter", stellt Kunze klar. Im Nachtcafé braucht es wohl vor allem Einfühlungsvermögen und Empathie. Sie legt besonderen Wert darauf, dass das Angebot niedrigschwellig ist. "Wir fragen hier niemand nach seinem Ausweis Die Menschen schlafen auf Isomatten, aber warm und trocken."
In den vier Nächten von Montag bis Donnerstag öffnet das Café in der Goßlerstraße 30 um 21.30 Uhr. Schon mehrere Stunden zuvor sitzen diejenigen, die hier unterkommen wollen, im Treppenhaus. "Das geht hier nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst", erklärt Kunze. Mit dem Ausharren im Hausflur sichern sich die Wohnungslosen also ihren Schlafplatz. "Mit 18 Plätzen sind wir natürlich vergleichsweise klein", so die Koordinatorin. Im Unterschied zu größeren Einrichtungen gibt es beim "Guten Hirten" auch keine Duschen und nur eine sehr kleine Kleiderkammer. Gerade wegen der überschaubaren Größe werde das Angebot des Nachtcafés aber gern angenommen. "In großen Notübernachtungen ist der Ton unter den Gästen oft rauer", sagt Kunze. "Bei uns geht es da schon fast familiär zu."
Vor 20 Jahren war das Café von der Kirchengemeinde gegründet worden, damals noch im Gemeindehaus. Auch die Vaterunser-Kirchengemeinde in Wilmersdorf, die Steglitzer Patmos-Gemeinde und die Philippus-Nathanael-Gemeinde in Friedenau unterstützen das Projekt seit Jahren. Die meiste Zeit davon lief der Betrieb zum allergrößten Teil über Spenden. Seit dem vergangenen Jahr gibt nun auch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg etwas dazu. Charlottenburg-Wilmersdorf unterstützt das Projekt schon länger mit einer Zuwendung. "Das deckt insgesamt ungefähr zwei Drittel der laufenden Kosten", erklärt Claudia Kunze.
Auf Hilfe und Spenden ist das Café deshalb auch weiterhin angewiesen. Vor allem helfende Hände werden immer gesucht. "Es gibt viele Aufgaben. Jeder unterstützt das Projekt nach seinen Möglichkeiten", so die Koordinatorin. Entweder vor Ort im Früh- oder Abenddienst oder beispielsweise zu Hause, indem die Helfer für die Hilfsbedürftigen kochen,. Auch Einkäufer würden immer gebraucht. "Das Problem der Obdachlosigkeit in Berlin verschärft sich von Jahr zu Jahr aus unterschiedlichen Gründen", beobachtet Kunze. Das Angebot des kleinen Nachtcafés wird es also wohl auch in den kommenden 20 Jahren noch geben.
Autor:Ralf Liptau aus Tiergarten |
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