Keine neuen Barrieren schaffen: Dominik Peter fordert mehr Teilhabe für Behinderte

Dominik Peter (Mitte) beim Einsatz für Behindertenrechte zusammen mit Johanna Fabian und Fred Kurzer. | Foto: Lutz Kaulfuß
2Bilder
  • Dominik Peter (Mitte) beim Einsatz für Behindertenrechte zusammen mit Johanna Fabian und Fred Kurzer.
  • Foto: Lutz Kaulfuß
  • hochgeladen von Stefanie Roloff

Berlin. Dominik Peter ist der Vorsitzende des Berliner Behindertenverbands (BBV). Im Interview mit Berliner-Woche-Reporterin Stefanie Roloff spricht er über fehlende Teilhabemöglichkeiten für behinderte Menschen und fordert einen Kurswechsel in der Politik.

Herr Peter, wo wird Menschen mit Behinderung die Teilhabe besonders erschwert?

Dominik Peter: Im Berufsleben! Wir haben eine Generation behinderter Menschen mit hervorragender Ausbildung, die nur schwer Arbeit findet. Das hat oft damit zu tun, dass die Firmensitze nicht barrierefrei sind, Berührungsängste da sind und die bürokratischen Hürden sehr hoch sind. Hier müsste die Politik in baulicher Hinsicht mehr tun, Förderprogramme dürften nicht mehr so schnell eingestellt werden. Die Ausgleichsabgabe, die Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern bezahlen müssen, wenn sie die Fünf-Prozent-Quote nicht erfüllen, ist zudem viel zu niedrig.

Welche Veränderungen sieht das geplante Bundesteilhabegesetz vor?

Dominik Peter: Das Bundesteilhabegesetz wurde im Koalitionsvertrag als ein Meilenstein in der Sozial- und Behindertenpolitik angekündigt. Dazu gibt es konkrete Ideen der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), aber diese werden im Gesetzesentwurf nicht angemessen umgesetzt. Der Kostenvorbehalt steht über allem!

Worin sehen Sie die Mängel des Gesetzesentwurfs?

Dominik Peter: Das Gesetz geht auf vieles nicht genug ein, zum Beispiel auf die finanziellen Ungerechtigkeiten. Behinderte Menschen, die auf Hilfen angewiesen sind, müssen viele der entstehenden Kosten auf ihr Einkommen und Vermögen anrechnen lassen. Das gilt derzeit auch für die Lebenspartner. Dazu kommt, dass sie nur 2600 Euro ansparen dürfen. Der jetzige Entwurf sieht zwar eine Vermögensfreigrenze von 25 000 Euro ab 2017 und 50 000 ab 2020 vor, aber auch das ist nicht viel und auch hier gibt es Schlupflöcher. Die UN-BRK besagt außerdem, dass jeder selbst entscheiden kann, wo und in welcher Wohnform er leben will. Das geplante Bundesteilhabegesetz greift diesen Gedanken nicht umfassend genug auf.

Wie ist die Situation in Berlin?

Dominik Peter: In Berlin haben wir in Bezug auf das barrierefreie Bauen die Weichen nicht gestellt. Es gibt eine Bauordnung des Abgeordnetenhauses, die besagt, dass ab 2020 ein großer Teil der Neubauwohnungen barrierefrei gebaut werden muss. Damit wird aber nicht mal der Bedarf gedeckt, den auch der demografische Wandel mit sich bringt. Schon jetzt haben wir 41 000 barrierefreie Wohnungen zu wenig. Zudem sieht die Bauordnung die Wiedereinführung der 1997 abgeschafften Unterteilung von Gebäuden in einen Besucher- und einen Benutzerbereich vor. Der Besucherbereich muss barrierefrei sein, der Benutzerbereich nicht. Wie will man einen Lehrer anstellen, der im Rollstuhl sitzt, wenn der Benutzerbereich einer Schule nicht behindertengerecht ist? Das verstößt gegen die UN-BRK, die besagt, dass keine neuen Barrieren geschaffen werden dürfen.

Was fordert der Berliner Behindertenverband?

Dominik Peter: Die Ziele, die wir haben, sind die, die in der UN-BRK formuliert sind, die in Deutschland am 26. März 2009 in Kraft trat. Um unsere Forderungen um-zusetzen, haben wir am 4. Mai mit der Bundesinitiative „Daheim statt Heim“ und dem Sozialverband Deutschland einen Protesttag abgehalten. Zu diesem kamen rund 5000 Teilnehmer! Wir konnten dadurch erreichen, dass das Gesetz nun tatsächlich mit fünf Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Allerdings derzeit noch ohne Zweckbindung.

Was können die Bürger tun?

Dominik Peter: Jeder aktive Bürger, der zu Bürgerbeteiligungen geht und darauf achtet, dass im öffentlichen Raum barrierefrei gebaut wird, hilft uns schon immens weiter. Im Alltag hat sich aber auch schon viel getan! Ich sitze seit 18 Jahren im Rollstuhl und werde ganz oft von Berlinern angesprochen, ob ich Hilfe brauche. Das Konzept der inklusiven Schulen gibt mir zudem die Hoffnung, dass Kinder heranwachsen, für die es ganz normal ist, dass jeder Mensch anders ist.

Weitere Informationen gibt es auf www.bbv-ev.de.
Dominik Peter (Mitte) beim Einsatz für Behindertenrechte zusammen mit Johanna Fabian und Fred Kurzer. | Foto: Lutz Kaulfuß
Dominik Peter bei der Protestveranstaltung zum "Europäischen Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung" am 4. Mai 2016. | Foto: Florian Griep
Autor:

Stefanie Roloff aus Friedenau

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 539× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 827× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 805× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.185× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.