Ungeliebte Wahl: SPD und CDU wollen das Seniorenmitwirkungsgesetz überarbeiten

Einmal im Jahr findet die  Veranstaltung „Senioren debattieren im Parlament“  statt. Bei dem Treffen im Oktober 2014 sammelte Jürgen Steinbrück, Mitglied der Landesseniorenvertretung, die Fragen der Teilnehmer an den Senat ein. | Foto: Cordula Giese für LSBB/LSV
  • Einmal im Jahr findet die Veranstaltung „Senioren debattieren im Parlament“ statt. Bei dem Treffen im Oktober 2014 sammelte Jürgen Steinbrück, Mitglied der Landesseniorenvertretung, die Fragen der Teilnehmer an den Senat ein.
  • Foto: Cordula Giese für LSBB/LSV
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Berlin. Ist das Seniorenmitwirkungsgesetz bürgernah? Eher nicht, wenn man auf die geringe Beteiligung bei der Wahl der bezirklichen Seniorenvertretungen im Jahr 2011 blickt. Im Herbst dieses Jahres steht die Neuwahl der Vertretungen an.

Damit Senioren ihre Ansprüche selbst vertreten können, hat das Abgeordnetenhaus 2006 das Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz (BerlSenG) verabschiedet. Berlin war damit das erste Bundesland, das ein solches Gesetz beschloss. Es soll die Mitwirkungsrechte von Senioren stärken und ihnen eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben ermöglichen. Das ist mit Blick auf den demografischen Wandel hin zu mehr älteren Menschen in der Stadt auch bitter nötig.

Die Arbeit von drei ehrenamtlichen Gremien wird durch das Mitwirkungsgesetz geregelt: Auf Landesebene der Landesseniorenbeirat und die Landesseniorenvertretung (LSV), auf Bezirksebene die Seniorenvertretungen. Alle über 60-Jährigen auch ohne deutsche Staatsbürgerschaft aber mit Hauptwohnsitz in Berlin können Seniorenvertreter ihres Bezirks für eine Berufungsliste vorschlagen.

Viel zu geringe Wahlbeteiligung

Das Problem dabei: 2011 lag die Wahlbeteiligung bei nur 0,61 Prozent. „Meiner Erfahrung nach wissen die wenigsten Seniorinnen und Senioren in Berlin um die Seniorenvertretung und noch weniger um ihr diesbezügliches Wahlrecht“, sagt Sabrina Grunwald von der Kontaktstelle PflegeEngagement Tempelhof-Schöneberg.

Wenig attraktiv ist die Wahl auch deshalb, weil lediglich über eine Vorschlagsliste abgestimmt wird. Die Personen auf der Liste sind erst dann Mitglied der jeweiligen bezirklichen Seniorenvertretung, wenn sie vom zuständigen Stadtrat berufen werden. Eine solche Berufung ließe sich aber auch ohne aufwendige Wahl bewerkstelligen, meinen Kritiker.

Ergebnis steht noch aus

Allerdings wird ein solch radikaler Vorschlag wohl keine Mehrheit finden. Zwar hat die Berliner Koalition aus SPD und CDU beschlossen, das BerlSenG zu überprüfen. Doch ein Ergebnis steht bislang noch aus. Das stößt vor allem der Landesseniorenvertretung im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen sauer auf. In einem offenen Brief vom 28. Januar 2016 fordert sie eine Gesetzesänderung noch im ersten Quartal.

Ermöglicht werden solle eine Briefwahl. Diese könne nicht nur die Wahlbeteiligung steigern, sondern alle betroffenen Senioren über ihre Mitwirkungsrechte im Land Berlin informieren, erläutert Dr. Johanna Hambach, die Vorsitzende der LSV. Die CDU-Fraktion unterstützt die Forderung einer Briefwahl. Zudem möchte sie die Wahl der bezirklichen Seniorenvertreter zeitgleich mit den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen stattfinden lassen. „Die CDU-Fraktion hat die Änderung des Gesetzes bereits beschlossen“, sagt Joachim Krüger, sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Der Entwurf zur Gesetzesänderung liege derzeit noch beim Koalitionspartner SPD.

Alleinstellungsmerkmal soll erhalten bleiben

„Wir möchten auch die Briefwahl“, sagt Ülker Radziwill, Sprecherin der SPD-Fraktion für Soziales und Senioren. Zeitgleiche Wahlen lehnt die SPD jedoch entschieden ab. Das Alleinstellungsmerkmal der Wahl und damit auch des BerlSenG müsse erhalten bleiben.

Bei den möglichen Kosten einer Briefwahl halten sich die Vertreter von SPD und CDU bedeckt. Aus gutem Grund. Denn die würden bei 1,2 bis 1,5 Millionen Euro liegen, wie aus einer Antwort von Dirk Gerstle (CDU), Staatssekretär für Soziales, auf eine Anfrage der Abgeordneten Jasenka Villbrandt (Grüne) im Dezember 2014 hervorgeht (Drucksache 17/15004). „Das Geld müsste aus dem Landeshaushalt kommen“, sagt Elke Breitenbach, arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecherin der Linken.

Fast könnte man meinen, dass die Koalition auf Zeit spielt. Denn wenn es mit der Überarbeitung des Gesetzes vor der Wahl nicht mehr klappt, dann stellt sich die Frage der Briefwahl und der zusätzlichen Kosten nicht. Und dann bräuchte man niemandem zu erklären, dass man bis zu 1,5 Millionen Euro ausgibt, damit sich möglicherweise ein paar mehr Senioren an einer Wahl beteiligen, die eigentlich gar keine richtige Wahl ist. sr/hh

Weitere Informationen zur Wahl der Seniorenvertretung gibt es auf ü60.berlin.
Autor:

Stefanie Roloff aus Friedenau

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