Die Inforoute "Platte & Co" zeigt die Vielfalt des seriellen Bauens
Friedrichsfelde. Die Entwicklung des industriellen Wohnungsbaus zeigt die 2,7 Kilometer lange Inforoute "Platte & Co". Sie führt durch den Süden von Friedrichsfelde.
"Ich habe fünf Jahre lang auf meine Traumwohnung gewartet", sagt Rüdiger Preuße. Der 81-Jährige erinnert sich noch ganz genau, wie er die Vierraumwohnung in der Balatonstraße ergattert hat. "Als die Wohnungen bei einer großen Versammlung im März 1964 zur Auswahl standen, habe ich zugegriffen. Ich kannte sie allerdings nur von den Zeichnungen der Planer."
Also machte sich der zweifache Vater noch am selben Tag auf, das künftige Zuhause seiner Familie zu besichtigen – und fand sich auf einer Baustelle wieder. "Da entstand gerade der Boden für den Keller", erinnert sich Preuße. "Doch schon im Juni gleichen Jahres bin ich mit meiner Frau und den beiden Kindern eingezogen."
Dass seine Wohnung in einem "Plattenbau" liegt, stört Preuße wenig. Im Gegenteil. "Mein Haus wurde in Großblockweise gebaut, es ist der Vorgänger der eigentlichen Platte", sagt der Bewohner stolz. Preuße fachsimpelt schon mal gerne über die Finessen und Unterschiede von Wohnhäusern der Bautypen "QX", "WHH 17 Dresden" oder "WBS 70".
Das hat seinen Grund. Nirgendwo in Berlin findet der Architekturinteressierte so unterschiedliche Typen der industriellen Bauweise wie im Süden Friedrichsfeldes. Sie kennenzulernen und dabei Vorurteile über Plattenbausiedlungen abzubauen, dazu lädt die "Inforoute Platte & Co" ein. Die Faltkarte ist in den Lichtenberger Bibliotheken erhältlich. Eine Infosäule am Eingang zum U-Bahnhof Tierpark zeigt die Kartenansicht ebenfalls.
Die 2,7 Kilometer lange Tour führt zu den verschiedenen Bauten, die zwischen 1962 und 1985 entstanden sind. Mit einer Ausnahme: Die Splanemann-Siedlung mit ihren zwei- bis dreistöckigen Häusern entstand schon 1926 und gilt als "Mutter der Platte". Hier wurden erstmals Betonguss- und Krantechniken ausprobiert, um Häuser schnell und preiswert zu errichten.
"Die serielle Bauweise wurde dann über die Jahre stets technologisch weiterentwickelt, daher ergeben sich die zahlreichen verschiedenen Typen in einer Siedlung", sagt Thomas Thiele. Der Leiter des Museums Lichtenberg in der Türrschmidstraße 24 hat sich für die derzeit laufende Ausstellung "stein.schlacke.beton – Neues Bauen in Lichtenberg" mit der Thematik auseinandergesetzt.
Auf der Route kann der Spaziergänger an 15 Stationen Halt machen, sich die "Platten" genau anschauen auf einer Infotafel Details nachlesen. Dass die Großsiedlungen heute bei etlichen Menschen ein schlechtes Image haben, sei ein Zeit- und auch ein Ost-West-Phänomen, sagt der Architekt Urs Kohlbrenner, der mit seinem Team die Inforoute im Auftrag des Bezirksamtes konzipiert und umgesetzt hat. "Während im Westen mit dem industriellen Wohnungsbau oft sozial problematische Gebiete verbunden wurden, lebte in der DDR in solchen Siedlungen vorrangig die Durchschnittsbevölkerung, manchmal auch die privilegierte Schicht."
So war das "Hans-Loch-Viertel", wie die Siedlung in der DDR hieß und von einigen Anwohnern bis heute genannt wird, eine gute Wohngegend. Nach der Wende geriet sie in die Schieflage; heute gilt das Quartier rund um die Sewanstraße als sozialer Brennpunkt. Mit Modernisierung, Sanierung der Häuser und Begrünung versucht die Stadt gegenzusteuern.
Seit dem Jahr 2002 flossen 12,5 Millionen Euro aus dem Stadtumbau Ost in das Gebiet südlich des U-Bahnhofs Friedrichsfelde. Aktuell konzentriert sich das Programm auf die Sanierung von Schulen, Freiflächen und Sporthallen: So wird etwa die Sporthalle der Bernhardt-Grzimek-Schule saniert. Auch der Grünzug am Hönower Weg soll nächstes Jahr schöner werden – mit Wegen entlang der S-Bahn und Spielmöglichkeiten. KW
Autor:Karolina Wrobel aus Lichtenberg |
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