Mahnung ohne Zeigefinger
Eine Frage der Haltung – Das Künstlerduo ZEBU und ein Fassadenbild zum Artenschutz

Zebus Wandbild, als es noch vom Baugerüst verdeckt war. Inzwischen ist das Mural "Eine Frage der Haltung" fertig. | Foto: Berit Müller
  • Zebus Wandbild, als es noch vom Baugerüst verdeckt war. Inzwischen ist das Mural "Eine Frage der Haltung" fertig.
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Kreativ, bunt, mit Botschaft: Kunst an Hochhausfassaden fällt auf und gefällt – immer mehr. In Lichtenberg sorgt die Wohnungsbaugesellschaft Howoge von Zeit zu Zeit für neuen Giebelschmuck. Jüngster Zuwachs ist ein Riesengemälde des Künstlerduos Zebu in Friedrichsfelde.

Ein frischer Wind hat die Spätsommerhitze weggepustet. Kräftige Böen fegen durch die Straße Am Tierpark und rütteln am Baugerüst, das seit ein paar Tagen den kompletten Giebel eines Elfgeschossers verdeckt. Lynn Lehmann ist froh, heute mal nicht ganz nach oben klettern zu müssen. Dort seien sie zum Glück fast fertig, erzählt die junge Künstlerin. „Obwohl mir die Höhe gar nicht mehr so viel ausmacht“, räumt sie ein. „Zuerst war mir schon mulmig, aber das hat sich erstaunlich schnell gelegt. Bei diesem Wind brauche ich das trotzdem nicht.“

Wer vor dem Hochhaus Am Tierpark 1–3 steht und nach oben blickt, entwickelt Verständnis für gewisse Manschetten. Gut 30 Meter in die Luft ragt der Giebel, auf dem sich – noch etwas versteckt hinter Gerüsten und Netzen – ein riesiges Wandbild abzeichnet. Es heißt „Eine Frage der Haltung“ und ist das erste eigene Fassadenkunstwerk von Lynn Lehmann und Dennis Gärtner. Unter dem Namen Zebu sind die beiden jungen Berliner seit knapp vier Jahren gemeinsam kreativ. Sie teilen sich ein Studio nahe dem Zoo, wo sie an Illustrationen, Druckgrafiken und Malerei arbeiten. Für Streetart und Fassadenkunst-Projekte ist das Tandem weltweit unterwegs.

Warum eigentlich Zebu? „Ach, die Geschichte ist eher unspektakulär“, sagt Dennis. „Als wir nach einem Namen suchten, sollte er kurz sein und griffig, das Schriftbild musste uns gefallen.“ So seien sie schließlich bei Zebu gelandet. „Irgendwie passte dieses wundersam aussehende, belastbare Arbeitstier zu uns und unserem Stil.“

Freiluftgalerie mit Sinn

Ein Blick auf den neuen Friedrichsfelder Wandschmuck verrät, was diesen Stil ausmacht: vereinfachte, zum Teil abstrakte Formen, symbolartige Figuren, knallige Farben. Es scheint eine künstlerische Handschrift zu sein, die sich gut für Fassadengestaltung eignet. Das befanden jedenfalls die Auftraggeber. „Eine Frage der Haltung“ ist das fünfte Giebelbild im Rahmen von Lichtenberg Open Art (LOA) – einer Initiative der Howoge. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft hat sie vor Jahren gestartet, um eine erlebbare Freiluftgalerie zu schaffen und gleichzeitig Kieze zu verschönern. Die Regie für LOA hat die Howoge inzwischen in die Hände ihrer 2018 gegründeten Stiftung Stadtkultur gelegt.

Ein Thema für das neue Mural, wie die Wandbilder auch genannt werden, gab die Stiftung vor. Es sollte hoch aktuell sein. Fünf Künstler(-teams) waren eingeladen, Entwürfe rund um Artenschutz und Artenvielfalt einzureichen. Zebus Idee, ein Ökosystem in seiner Zerbrechlichkeit darzustellen, überzeugte auf ganzer Linie. Ihr Bild zeigt eine menschliche Figur, die ein wackeliges Gebilde in den Händen balanciert. Darin fügen sich ohne feste Struktur Figuren aus Fauna und Flora zusammen: eine Biene, ein Schnepfenvogel, Eidechse, Grasnelke und andere. Die stilisierten Symbole stehen für Arten, die in Deutschland vom Aussterben bedroht sind – eine bewusste Wahl. „Was hätten hier Eisbären oder Tiger zu suchen?“, fragt Lynn. „Wir wollten ein Ökosystem darstellen, das zu dieser Gegend passt. Denn es geht ja auch darum, dass sich die Leute damit identifizieren.“

Ortsmarke für 15 Jahre

Mit der Thematik hat sich das Künstlerduo keineswegs zum ersten Mal beschäftigt, viele der Arbeiten drehen sich um Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz, aktuelle politische Ereignisse. Ans Wandbild-Projekt für Lichtenberg Open Art gingen die beiden trotzdem mit großem Respekt, nicht bloß wegen seiner Dimension. Immerhin wird ihr Kunstwerk mindestens die nächsten 15 Jahre die prominente Kreuzung nahe dem Tierpark prägen. Das Feedback von Anwohnern und Passanten hat sie inzwischen beruhigt.

Dabei ließ es zunächst auf sich warten. „In den ersten Tagen waren wir richtig traurig, weil uns niemand ansprach“, erzählt Lynn. „Es lag aber bloß daran, dass wir uns ja meistens da oben auf dem Gerüst aufhielten.“ Als die ersten Figuren Form annahmen und sich das Duo mit seinen zwei Helfern immer weiter nach unten vorarbeitete, kamen die Leute dann doch. „Erst heute früh standen hier zwei Frauen mit Kinderwagen. Die waren verblüfft, wie schnell alles ging. Und ihnen hat das Bild richtig gut gefallen.“

Das könnte nicht zuletzt an der Grundstimmung liegen. Zebus Mural verbreitet weder Pessimismus, noch kommt es mit erhobenem Zeigefinger daher. „Natürlich ist unser Ökosystem fragil“, fasst es Dennis zusammen. „Aber das soll ja nicht heißen, dass wir ohnmächtig zusehen müssen, wie es zerbricht. Im Gegenteil – unser Bild zeigt, dass der Mensch es in der Hand hat, die Natur zu erhalten. Das liegt in unser aller Verantwortung.“ Anders gesagt: Es ist eine Frage der Haltung.

Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

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