Tierpark, Mauer, Alte Försterei
Berliner Host Towns zeigen Athleten ihre Stadt
Internationaler Besuch im Poststadion. Schon von Weitem sind auf der Tribüne die grünen Trainingsanzüge der Mitglieder der Feldhockey-Auswahl Pakistans zu sehen. Sie essen gerade zu Mittag. „Berlin ist schön. Wir sind richtig gut aufgenommen worden“, erzählt Imdad Ali, einer von drei Trainern der Hockeymannschaft. Sieben Frauen und drei Männer gehören zum Team. Das sei Inklusion auf allen Ebenen, betont Ali.
Gerade sind sie mit Berliner Sportlern zusammengetroffen. Auch die Spreewölfe, ein Berliner Inlineskaterhockeyverein, war mit dabei. „Sie waren jetzt nicht auf ihren Inlinern, sondern auf Sportschuhen, und haben Feldhockey angeboten. Das ist sehr gut angenommen worden“, erzählt Melita Ersek, Leiterin des Sportamts Mitte. Sie hat für Mitte das Host Town Programm entwickelt. „Seit Anfang Februar arbeiten wir daran. Wir haben überlegt, was bieten wir an Kultur, was bieten wir an Sport? Und da haben wir gemeinsam mit den Sportvereinen und den vielen Kulturinstitutionen im Bezirk doch einiges anzubieten“, sagt Ersek stolz.
Dienstag war Sporttag im Poststadion. „Mittwoch war Kulturtag mit Besuch im Futurium und einem Spaziergang an der Mauer mit fünf Guides. Wir haben schon gemerkt, dass sie ganz neugierig sind. Sie haben uns auch gefragt, warum man in Berlin denn gar nicht sehen kann, dass es mal Ost und West gab. Sie hatten das noch irgendwie vor Augen, dass da eine Mauer mitten in der Stadt stand. Und am Donnerstag besuchten wir gemeinsam die Inklusionsschule am Zille-Park. Sie konnten dort mit Schülern sprechen und bekamen mit, wie es hier in Berlin an einer Schule mit Inklusion aussieht“, berichtet Ersek.
Am Dienstagabend stand dann noch ein Besuch aller in Berlin untergebrachten Delegationen gemeinsam mit den Verantwortlichen und vielen Volunteers im Tierpark an. Auch das Team aus der Ukraine war dabei. Die Delegation hatte eine sehr anstrengende Anreise hinter sich. „Das Team ist die ganze Strecke mit dem Bus gefahren. Die meisten kommen direkt aus der Ukraine“, erzählt Serhiy Komisarenko, Leiter der Delegation. Die Sportler kommen nicht aus dem unmittelbaren Kriegsgebiet. „Die meisten, die dort wohnten, haben das Land längst verlassen“, erklärt Komisarenko, der als gelernter Mediziner zu Special Olympics stieß, aber auch eine politische Karriere als Stellvertretender Ministerpräsident sowie Botschafter der Ukraine in London in den 1990er-Jahren hinter sich hat.
"Es ist eine bizarre Situation"
Der Krieg belaste Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen ganz besonders, betont er: „Es ist eine bizarre Situation, schon für Menschen mit einem starken Nervensystem. Einige sind natürlich sehr erregt, manche fühlen sich komplett verloren. Wir haben es aber geschafft, trotz des Krieges ein paar Wettkämpfe zu organisieren und die Athleten auf die Spiele hier gut vorzubereiten.“ Zur 35-köpfigen Delegation gehört auch die Turnerin Marianna Akhrarova. Sie hat schon an mehreren Weltspielen teilgenommen und aus internationalen Turnieren insgesamt zwölf Medaillen mit nach Hause gebracht, erzählt sie. Was sie in Berlin will? „Natürlich auch Medaillen holen“, sagt sie und strahlt. Dreimal in der Woche trainiert sie zu Hause, auch jetzt, während des Kriegs.
Hier während der Weltspiele wird sie von Angestellten des Bezirksamts Treptow-Köpenick und zahlreichen Freiwilligen betreut. „Seit Anfang Januar bereiten wir uns darauf vor“, sagt Carolin Haschick, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Kay Kowarsch das Host Town Programm im Berliner Südosten stemmt. Sie haben unter anderem ein inklusives Sportfest organisiert. „Da gab es einen Parcours aus eher ungewöhnlichen Sportarten, wie zum Beispiel einen Federball mit einem Badmintonschläger in einen Basketballkorb befördern“, beschreibt Kowarsch die Szenerie.
Auftakt für ein jährliches inklusives Fest
Das Sportfest war ein voller Erfolg. Kowarsch und Haschick planen, das als Auftakt für ein jährliches inklusives Sportfest oder überhaupt ein inklusives Fest zu nehmen. Und auch die Sportvereine, die sich beteiligt haben, wollen sich in der Zukunft stärker inklusiv betätigen. „Der Behindertensportverband macht das ja sowieso schon. Der PSV Olympia will das auf jeden Fall anbieten. Und auch beim SV Ajax bin ich mir sicher, dass sie gut fanden, was wir heute gemacht haben“, sagt Haschick. Köpenicks prominentester Player im Sport ist auch mit von der Partie. „Am Donnerstag gab es eine Stadiontour in der Alten Försterei. Union hat sofort zugesagt. Und wir können Champions League zeigen“, strahlt Haschick.
Inklusionsmanager beim Landessportbund
Die Begeisterung, die die Weltspiele seit dem Eintreffen der Delegationen auslösen, will der Senat verstetigen. „Wir haben ein Nachhaltigkeitsprogramm aufgelegt, in dem wir 14 Projekte in Kultur, Bildung, Sport und anderen Bereichen unterstützen, nachhaltig Inklusion zu betreiben“, erklärt Katrin Koenen von der Senatssportverwaltung. Dazu gehört auch die Finanzierung eines Inklusionsmanagers beim Berliner Landessportbund. „Er bietet allen Vereinen Unterstützung bei der Ausbildung der Trainer an. Das große Ziel ist, dass jeder Verein Berlins irgendwann einmal Inklusivangebote hat“, sagt Koenen. Vor allem aber möchte sie den Schwung der Weltspiele nutzen, dass „alle Berlinerinnen und Berliner mitbekommen, was Menschen mit Behinderung können, was sie leisten und wie wichtig das ist, sie überall zu inkludieren“.
Bei den Betreuern der Host Town-Teams muss Koenen gar nicht mehr werben. „Das Schönste sind doch die leuchtenden Gesichter. Als die Gruppe aus Pakistan vom Flughafen zu uns kam, strahlten sie einfach. Sie haben sich auf uns gefreut, darauf, dass wir zu ihnen sagen: ‚Kommt zu uns, wir zeigen, was wir haben. Und lasst uns etwas gemeinsam miteinander machen“, sagt Melita Ersek vom Gastgeberbezirk Mitte. Dieses Gefühl ist für sie sogar wichtiger und schöner als jeder selbst noch so attraktive einzelne Programmpunkt. Berlin ist auch mental bereit für die Weltspiele. Text: Tom Mustroph
Autor:Lokalredaktion aus Mitte |
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