Die Wiege Hirschgartens
Am Hirteplatz erinnern jetzt fünf Porzellantafeln an die Geschichte der Villenkolonie
Der Hirteplatz, zwischen Fürstenwalder Damm und Müggelspree gelegen, ist wie ein Mini-Kreisverkehr. Sechs ruhige Wohnstraßen gehen von ihm in alle Richtungen ab. In der begrünten Mitte befindet sich ein Obelisk. Hier können sich Interessierte nun über die Geschichte Hirschgartens informieren.
Einen besseren Ort als den Hirteplatz kann es dafür nicht geben, denn er wurde nach Albert Hirte benannt. Im Juni 1870 gründete der Berliner Bankier (1833-1898) eine Villenkolonie, die er in Anlehnung an den Hirschacker Hirschgarten nannte. Zwei Monate später begann deren Bebauung. „Er formulierte die gestalterische Grundidee mit dem sternförmig angelegten zentralen Platz, dem heutigen Hirteplatz, entlang einer Sichtachse vom Bahnhof Friedrichshagen zum Turm der Köpenicker Stadtkirche.“ So heißt es auf einer Gedenktafel, die bereits 2020 am Eingangstor zum Grundstück Fürstenwalder Damm 260 befestigt wurde. Wo sich heute das Restaurant „Veracruz“ befindet, war einst der Pferdestall auf dem Anwesen Albert Hirtes.
Anlässlich des 25. Gründungsjubiläums der Villenkolonie wurde 1895 im Zentrum des Platzes ein Obelisk aus rotem Mainsandstein nach Entwürfen des Königlichen Regierungsbaumeisters Otto Stahn errichtet. Weitere 25 Jahre später erfolgte die Umbenennung zu Ehren des Ortsgründers. 1989 wurde der Hirteplatz in die Berliner Denkmalliste aufgenommen. Durch bürgerschaftliches Engagement und private Spendenbereitschaft erhielt der Obelisk seine im Zweiten Weltkrieg verlorengegangene, nach Fotos neu gestaltete Schmuckspitze 2001 zurück.
Diese und weitere Informationen sind jetzt auf fünf Porzellantafeln in A4-Größe zu finden. Babett Deuse und Monika Hemmer von der Interessengemeinschaft Hirschgarten haben sie herstellen lassen, finanziert mit Mitteln der Kiezkasse. Bei der Einweihung durch Bürgermeister Oliver Igel war auch die Urenkelin von Albert Hirte, Anita Lüder-Hirte, mit dabei. Die Texte wurden mit dem Heimatverein Köpenick inhaltlich und gestalterisch abgestimmt. Sie informieren über den Hirteplatz, die Villa Bertrand (heutige Turmvilla), das Chausseehaus und das Solbad Hirschgarten sowie den früheren Hirschgarten-Bewohner Robert Thelen. Dieser erhielt 1910 seine Fluglizenz und absolvierte noch im selben Jahr als erster deutscher Pilot einen ausgedehnten Rundflug über Adlershof, Grünau und die Müggelberge. Erfolgreich nahm er an vielen nationalen und internationalen Wettbewerben teil. Als Fluglehrer bildete er auf dem Flugplatz Johannisthal unter anderem Melli Beese aus, die erste deutsche Motorfliegerin, nach der eine Grundschule in Johannisthal benannt ist. 1913 zog der gebürtige Nürnberger mit seiner Familie nach Hirschgarten in eine Villa an der Spree. Wie der Infotafel außerdem zu entnehmen ist, arbeitete Thelen später als Testpilot und technischer Leiter in den Albatros-Flugzeugwerken in Friedrichshagen. Bis zu seinem Tod 1968 lebte er in der Villenkolonie.
Eine
besonders bewegte Geschichte hat die Turmvilla, die 1899 gebaut wurde. Klempnermeister Karney beauftragte damals den Architekten Rudolf Riegel mit der Errichtung seines heute unter Denkmalschutz stehenden neobarocken Gebäudes. Es folgten mehrere Besitzerwechsel. 1934 vermietete der damalige Besitzer Erich Krebs, ein Großhändler, das Haus an die Gesellschaft Reichsautobahnen. In der Folge wurde die Turmvilla zum Parteihaus der NSDAP mit dem Sitz der Ortsgruppe Hirschgarten und dem Amt für Volkswohlfahrt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Anwesen von der Roten Armee beschlagnahmt. In der DDR wurde das Gebäude vorrangig als Kita genutzt. Im Jahr 2000 kam es zur denkmalgerechten Restaurierung. Heute gehört die Turmvilla der Stiftung Tanz – Transition Zentrum Deutschland.
Wer mehr über die Historie Hirschgartens erfahren möchte, sollte dem Hirteplatz beim nächsten Spaziergang mal einen Besuch abstatten.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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