Mit Molle und Maulbeerbrand
Im historischen Rathaus Friedrichshagen wird zukünftig gebraut
Friedrichshagen ist ein traditionsreicher Brauereistandort. Bis zur Schließung 2010 befand sich am Ende der Bölschestraße, direkt am Ufer der Müggelspree, Berlins älteste Brauerei. Heute ist vom Berliner Bürgerbräu nur noch ein riesiges vermülltes Gelände geblieben. Ein eigenes Bier hat Friedrichshagen aber mittlerweile wieder zu bieten.
Dafür verantwortlich ist die 2018 gegründete Brau- und Genusswerkstatt Berlin-Friedrichshagen AG im historischen Rathaus in der Bölschestraße. „Wir haben einen Haufen kranke Geister bei uns“, scherzt Tobias Apelt aus dem Vorstand über sich und seine Mitstreiter, die seit Langem an dem Projekt arbeiten. Der 50-Jährige ist zugleich Geschäftsführer der Rathaus Friedrichshagen Projekt GmbH & Co. KG, die sich zur Aufgabe gemacht hat, das bedeutende Baudenkmal wieder einer Nutzung zuzuführen. Nachdem sich dort bis 2010 die Polizeiwache befand, wird das Rathaus durch einen Zusammenschluss engagierter Bürger seitdem zum Zentrum für Kultur, Bildung, Soziales, Tourismus und Wirtschaft entwickelt. Zu den Plänen gehörte auch, im Keller eine eigene Brauerei einzubauen. Die Idee sei bereits 2007 entstanden, blickt Apelt zurück. Bis zur Gründung der AG seien dann aber noch viele Jahre vergangen.
Inzwischen hat das Projekt jedoch Fahrt aufgenommen. Bei einer Führung durch den Ratskeller öffnet Tobias Apelt eine Tür, hinter der ein tiefes Loch im Boden klafft. Noch ist hier eine Baustelle. Ende des Jahres, so die Hoffnung, soll es mit der Brauerei aber losgehen. Das Bier unter dem Markennamen „Dolle Molle“ gibt es bereits. Der Begriff „Molle“ wird vor allem im Berliner Raum verwendet und ist eigentlich eine Maßeinheit (halber Liter). Zur Marke gehören das Pils „Sonnenhell“, und das Lagerbier „Kupfersamt“. Seit gut fünf Jahren werden die beiden Sorten gebraut. Noch wird in einer Brauerei in Altlandsberg nordöstlich von Berlin abgefüllt. „Uns gefällt nicht, dass es woanders gebraut wird. Es ist unserem Ehrgeiz geschuldet, dass wir hier an dem Produkt arbeiten wollen“, erzählt Apelt, der sich in der Gastronomie auskennt. Er hat als Koch und Kellner gearbeitet, war lange Zeit für das Restaurant „Bräustübl“ am Müggelseedamm tätig, wo er 1999 als studentische Aushilfe anfing und bei seinem Abschied 2010 sogar Geschäftsführer war. „Mir ist Geschmack schon wichtig“, sagt er, und das eigene Bier schmecke ihm richtig gut. „Ich stehe hinter diesem Produkt.“
Um die Brauerei im Rathaus einbauen zu können, braucht es Geld. So möchte die Brau- und Genusswerkstatt mindestens eine Million Euro an Aktien verkaufen. Bisher sind 273 000 Euro Aktienkapital von mehr als 50 Aktionären in das Projekt investiert worden. Die Finanzierung ist somit noch nicht abgeschlossen. „Bier ist ein Grundnahrungsmittel. Es gehört dazu, dass man in seiner Region eigene Grundnahrungsmittel bekommt“, meint Tobias Apelt. Gemeinsam hätten sie es geschafft, Friedrichshagen wieder sein eigenes Bier zu geben. Doch das ist noch nicht alles. Inzwischen hat die AG auch einen Brand aus Maulbeeren, die ebenfalls tief in der Geschichte des Ortsteils verwurzelt sind, herausgebracht. Einst sollen in dem Gebiet drei Millionen Maulbeerbäume gewachsen sein. Für den Brand wurde der Name „Berliner Großmaul“ ausgewählt.
„Wir haben mit Jörn Paschke einen sehr kreativen Grafiker bei uns, der immer mit lustigen Namen und coolen Ideen kommt.“ Der Brand soll sich, so der Wunsch, als eine Berliner Marke deutschlandweit etablieren. Das Bier hingegen wird wohl eher eine auf Berlin und Brandenburg begrenzte Köstlichkeit bleiben. Wer montags von 15 bis 18 Uhr oder mittwochs von 9 bis 12 Uhr mit seinem Krug vorbeikommt oder vor Ort einen erwirbt, kann sich die „Dolle Molle“ gleich selbst abfüllen oder abfüllen lassen. Nach Eröffnung der Brauerei sollen Gäste dann auch beim Brauen zusehen können.
Neben den Getränken verkauft die Brau- und Genusswerkstatt im Onlineshop auch Baumwollbeutel, T-Shirts und Gläser. Außerdem werden im schön hergerichteten Ratssaal zweimal im Monat Konzerte unter dem Motto „Der dolle Abend – Mit Mucke, Molle & mehr“ veranstaltet. Auch Privatfeiern sind möglich. Des Weiteren werden im Ratskeller, wo ein historisches Wandbild mit dem Trinkspruch „Wer nicht trinkt, liebt und singt, es nie zu wahrer Freude bringt!“ behutsam freigelegt wurde, noch ein Tresen, eine Küche, Ton- und Lichttechnik für weitere Events eingebaut. Tobias Apelt und seine Mitstreiter sind stolz darauf, wie sich das Projekt entwickelt.
Weitere Informationen gibt es unter www.brauerei-friedrichshagen.de.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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