Mit zehn Stück Kuchen durch die Nachtschicht
Bäckermeister Rainer Schwadtke arbeitet nachts im Akkord – und hat Spaß dabei
Wenn bei Rainer Schwadtke eine halbe Stunde vor Mitternacht der Wecker klingelt und er von Rahnsdorf zur Arbeit nach Friedrichshagen fährt, ist es dort sehr ruhig. Manchmal begegnet ihm ein Flaschensammler. Im Sommer kommen ihm häufiger auch mal ein paar Jugendliche entgegen.
In der Bölschestraße, wo der 56-Jährige die Dresdner Feinbäckerei betreibt, sind zu dieser Zeit nur noch ein paar Kneipen geöffnet. Für den Bäcker- und Konditormeister beginnt die Arbeit, wenn die meisten Friedrichshagener ins Bett gegangen sind. Nach einer Scheibe Brot mit Salami startet für ihn gegen 0 Uhr die Nachtschicht. Unterstützt wird Schwadtke in der Backstube von drei bis vier Mitarbeitern. Insgesamt sind dann schon sechs der 19 Angestellten, darunter drei Azubis, vor Ort. Der Arbeitsablauf ist genau durchgetaktet. Los geht es mit dem Ausrollen des Blätterteigs für die Schweineohren, Schillerlocken und Seezungen, die nicht viel Hitze benötigen. Wenn der Ofen eingeschaltet ist und langsam warm wird, ist der Kuchen aus der Konditorei bereits vorbereitet und wird hineingeschoben. Von da an steht Rainer Schwadtke acht bis neun Stunden neben dem Ofen. Es folgen Brötchen, anschließend Brot.
Erst gegen 9 oder 10 Uhr, während vor dem Geschäft die Kunden längst Schlange stehen, wird der Ofen wieder ausgeschaltet. Dann kümmert er sich um den Blätterteig für den nächsten Tag. Vorbei ist der Arbeitstag des Bäckermeisters dann aber noch lange nicht. Es muss aufgeräumt, im Café geholfen und Ware eingeräumt werden. Oft führt Schwadtke dann auch noch Bewerbungsgespräche, bestellt Rohstoffe und verhandelt mit Vertretern. Mittags fährt er nach Hause für eine oder zwei Stunden Schlaf. Danach geht es wieder in die Backstube, wo er den Sauerteig vorbereitet. Kurz nach den Nachrichten um 20 Uhr legt er sich wieder ins Bett, um dann vor Mitternacht wieder aufzustehen.
Nur etwa sechs Stunden Schlaf am Tag gönnt Schwadtke sich. Außer am Montag, da ist Ruhetag, arbeite er eigentlich immer, berichtet er. 1995 hat Rainer Schwadtke die bereits 1906 eröffnete Dresdner Feinbäckerei in der Bölschestraße 89 übernommen. 2010 eröffnete er nach Sanierung ein Café neben dem Verkaufsraum. Jeden Morgen um halb sechs werden die Türen geöffnet. Eine Warteschlange vor dem Laden ist ein gewohntes Bild. Auch weil manche Kunden selbst mitten in der Woche aus Charlottenburg, Steglitz und Spandau den weiten Weg auf sich nehmen, um frisches Brot, Brötchen und Kuchen zu kaufen. In Friedrichshagen stellt sonst nur noch die Bäckerei Menzer am Müggelseedamm eigene Backwaren her.
Rainer Schwadtke testet jeden Tag selbst, ob der Kuchen schmeckt, der später über die Theke geht. Pro Nachtschicht, so erzählt er, isst er selbst zehn Stück. In dieser Jahreszeit verputzt er am liebsten Apfel- und den Pflaumenkuchen, aber auch Streuselschnecken und Schweineohren zählen zu seinen Highlights. Dass er trotzdem nicht dick wird, liegt an seinem „Fitnessstudio“, wie er es nennt. Damit meint er den 30 Meter langen Weg von der Backstube zum Verkaufsraum, den er pro Schicht unzählige Male mit schweren Backblechen auf dem Arm zurücklegt. „Nachts ist immer Akkordarbeit – und das macht Spaß. Ich bin mit Leib und Seele Bäcker, könnte mir auch keinen anderen Beruf vorstellen“, erzählt er. Schon als Siebenjähriger habe er gewusst, dass er Bäcker werden wolle. „Du siehst, was du herstellst, hast es immer trocken und warm, kannst im T-Shirt arbeiten, hast ein Dach über dem Kopf. Ein geiler Beruf“, gerät er regelrecht ins Schwärmen.
Die Nachtarbeit sei für ihn nicht der Rede wert. „Nachts stört mich keiner. Da hat man seine Ruhe, schafft dann auch was.“ Einzige Schwierigkeit sei das Umfeld. Freunde und Verwandte würden zu anderen Zeiten arbeiten, was Verabredungen deutlich erschwert. Auch den Alltag mit seiner Frau abzustimmen, sei nicht so einfach. „Wenn meine Frau ins Bett geht, stehe ich auf. Damit klarzukommen, ist ein Problem.“ Immerhin ist seine Frau seit 25 Jahren ebenfalls in der Dresdner Feinbäckerei beschäftigt. Dort kümmert sie sich um den Verkauf im Café und übernimmt Büroarbeiten, weswegen sich das Ehepaar zumindest bei der Arbeit häufig sieht.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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