Handeln im Kolonistendorf Friedrichshagen
Wolfgang Hirche (66) ist eigentlich schon im Rentenalter, denkt aber noch nicht an den Ruhestand. Fast genau sein halbes Leben lang ist er jetzt der Marktmeister von Friedrichshagen.
Seit 1984 managt er die kleine Budenstadt auf dem historischen Marktplatz an der Bölschestraße nun schon. Dass der Markt eingerichtet wurde, war seine Idee. „Ich war damals Taxifahrer und kam oft am Wochenmarkt an der Pankower Kirche vorbei. Dort standen die Anwohner fast immer Schlange nach Bückwaren oder frischem Gemüse“, erinnert er sich. Da er schon lange dem volkseigenen Taxibetrieb „Tschüss“ sagen und was Privates aufbauen wollte, kam ihm die Marktidee. Er erfuhr, dass im alten Dorf Marzahn ein Wochenmarkt eingerichtet wird. Sofort meldete er sich beim Rat des Stadtbezirks. „Dort gab man mir aber schnell einen Korb. Wir wollen im sozialistischen Stadtbezirk keinen privaten Markt, lies man mir ausrichten“, erinnert sich Hirche.
Mehr Erfolg war ihm in Köpenick beschieden. Der dortige Stadtrat für Handel und Versorgung gehörte der bürgerlich orientierten Blockpartei LDPD an. „Der wollte die Bölschestraße wieder zu einer Einkaufsmeile machen, da kam ihm ein Wochenmarkt gerade recht. Der Stadtrat hat dann sogar die örtliche HO-Kaufhalle verdonnert, sich am Markt zu beteiligen“, berichtet Wolfgang Hirche.
Bevor am 28. April 1984 erstmals Markt abgehalten wurde, mussten entsprechende Stände her. Da es die nicht zu kaufen gab, hat Wolfgang Hirche sie mit Freunden aus Material vom Schrottplatz selbst gebaut. Hinter einem der Stände stand er dann selbst und hat Obstsäfte verkauft. „Bis zu 3000 Flaschen habe ich an einem Markttag abgesetzt“, erinnert er sich.
Mit der Wende war Bückware nicht mehr gefragt, weil es plötzlich alles zu kaufen gab. Dafür stellten sich Menschen hinter einen Marktstand, die ein paar Monate zuvor noch einen vermeintlich sicheren Arbeitsplatz hatten. Nun brachten sie Damenunterwäsche und Narva-Glühlampen unter die Leute.
„Heute sind aber wieder Frischwaren wie Fleisch, Wurst, Obst, Gemüse und Fisch gefragt. Da es heute Verkaufswaren mit Kühlung gibt, sind den Angeboten fast keine Grenzen gesetzt“, erzählt Wolfgang Hirche. Die Waren kommen nicht nur aus Berlin und dem nahen Umland. Seit ein paar Wochen kommt der polnische Bauer Mateusz Kicinski aus Küstrin, bringt Möhren, Kartoffeln und später auch Erdbeeren aus eigenem Anbau. „Besonders gut gingen in Friedrichshagen die Pflaumen, die sind aber jetzt alle verkauft“, erzählt Bauer Kicinski.
Weil der langjährige Waldimker Horst Reimer kurz vor Weihnachten 2017 verstorben ist, musste Marktleiter Hirche den Platz neu vergeben. Demnächst bietet ein anderer Imker nun Honig und Honigprodukte aus Brandenburg an.
Insgesamt rund 30 Stände warten an den vier Markttagen auf die Besucher. Die pilgern dann um den Ortsbegründer Friedrich den Großen herum, dessen Denkmal wieder seit 2003 auf dem Marktplatz steht. Geöffnet ist Montag, Mittwoch und Freitag jeweils von 10 bis 17 Uhr und am Sonnabend von 9 bis 13 Uhr.
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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