Das Alte bewahren und weitergeben
In ihrem Antiquariat hütet Katrin Brandel nicht nur viele Bücher, sondern auch die Geschichte Friedrichshagens
Ein Besuch im Antiquariat Brandel fühlt sich wie eine kleine Zeitreise an. Der Geruch von altem Papier liegt in der Luft. Wo der Blick auch hinfällt, stehen Bücher in den Regalen oder liegen aus Platzmangel noch in Kisten auf dem Boden. Hier in der Scharnweberstraße 59 ist das Reich von Katrin Brandel.
Seit 30 Jahren kümmert sich die gelernte Buchhändlerin und Antiquarin um den Laden, der im Erdgeschoss ihres Wohnhauses liegt. Kurz nach der Wende zog die Köpenickerin, die lange in Friedrichshain gelebt hatte, mit ihrem Mann nach Friedrichshagen. Dort kauften sie sich ein Haus und bauten einen Teil davon zu Geschäftsräumen um. In einer eigenen Buchhandlung zu arbeiten, sei schon immer ihr Traum gewesen, erzählt sie. Nachdem sie zu DDR-Zeiten eine Ausbildung zur Buchhändlerin in Leipzig absolviert hatte, arbeitete sie zunächst in Buchhandlungen in der Karl-Marx-Allee und am Helene-Weigel-Platz sowie für die DDR-Jugendfernsehsendung „Elf99“, die in Adlershof produziert wurde. Anfang der 90er-Jahre fing sie in einem Auktionshaus am Winterfeldtplatz an. Mit ihrem damaligen Chef beschloss sie schließlich, ein eigenes Versandantiquariat mit dem Namen „Brandel und Richter“ zu eröffnen. Die passenden Räume ergaben sich durch den Umzug nach Friedrichshagen. Ihr Geschäftspartner verabschiedete sich jedoch bald. Seit 1994 führt sie den Laden allein.
Von anderen Buchhandlungen unterscheidet er sich unter anderem durch den Bestand. So gibt es zahlreiche Bücher, die woanders nicht erhältlich sind. Katrin Brandel bezieht sie von Privatleuten, Auktionen und Kollegen. Ihre Aufgabe sieht die Inhaberin darin, „das Alte zu bewahren“. Sie verfügt beispielsweise über eine Geschichte über Brandenburg aus dem frühen 18. Jahrhundert und andere Werke, die zum Teil sogar noch deutlich älter sind. Weil ihr Stammkunden die Treue halten und sie viele Einzelstücke hat, die Besucher in gemütlicher Atmosphäre durchstöbern können, schafft sie es, gegen die große Konkurrenz zu bestehen. Auch in der Corona-Krise war das Antiquariat bis auf eine kurze Pause durchgehend geöffnet. Es ist viel mehr als nur eine Buchhandlung.
Seit 1997 stellt Katrin Brandel dort einen Raum für den Kulturhistorischen Verein Friedrichshagen zur Verfügung. Der beschäftigt sich mit dem um die Jahrhundertwende aktiven Friedrichshagener Dichterkreis um Wilhelm Bölsche, Bruno Wille und andere bekannte Persönlichkeiten, nach denen heute Straßen im Ortsteil benannt sind. Das sogenannte Museum Friedrichshagener Dichterkreis kann zu den regulären Öffnungszeiten des Antiquariats besucht werden. Ausstellungen, Vorträge und Führungen bietet der Verein ebenfalls an. Gern kommen auch Schulklassen aus dem nahen Gerhart-Hauptmann-Gymnasium, um im Rahmen des Geschichtsunterrichts hier in die Ortsgeschichte einzutauchen. „Ich glaube, dass ich den Leuten die Scheu vor alten Büchern nehmen kann“, sagt Katrin Brandel.
Nachdem sie Mitte der 90er-Jahre die Ortschronisten Inge und Rolf Kießhauer kennenlernte, gründete sie mit ihnen die Reihe „Friedrichshagener Hefte“. Darin schreiben Autoren und Fachleute über die Geschichte des Ortsteils. Erschienen sind mittlerweile 68 Hefte, die unter anderem das Wasserwerk, den Kurpark, die Bronzegießerei Gladenbeck, das Rathaus, den Spreetunnel und vieles mehr thematisieren. Auf diese Weise ist inzwischen quasi ein Archiv über die Geschichte Friedrichshagens entstanden. Die Hefte gibt Katrin Brandel in ihrem eigens gegründeten Verlag heraus. Auch sie selbst hat schon mehrere Werke geschrieben oder war unmittelbar daran beteiligt, darunter die Titel „Lokaltermin in Friedrichshagen. Von Gasthäusern und Kneipen am Rande Berlins“ oder „Friedrichshagen: Alte Ansichtskarten vom Rande Berlins“. Überhaupt seien historische Ansichtskarten ihre Leidenschaft. Mit einer Auswahl bestückt sie jedes Jahr den Friedrichshagener Kalender und fasst die wichtigsten Informationen zu den Motiven auf den Rückseiten der Kalenderblätter zusammen.
Aktuell arbeitet Katrin Brandel an einem Buch über den Müggelturm, das Anfang 2022 erscheinen soll. Im kommenden Jahr möchte sie außerdem einen Bildband über die Bölschestraße herausbringen. Schade findet sie, dass Zugezogene die Möglichkeit, etwas über den Ortsteil zu erfahren, nur so wenig nutzen. Hoffnung, dass ihr Beruf nicht ausstirbt, schöpft sie jedoch daraus, dass auch junge Menschen zu ihr kommen.
Mehr Informationen auf www.brandel-antiquariat.de
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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