Personalnot in der Backstube
Friedrichshagen. Seit über 100 Jahren gibt es die Dresdner Feinbäckerei an der Bölschestraße. Dort bleibt trotz aller Tradition jetzt montags die Tür zu.
An einem Dienstag vor Ort. Verkaufsstelle und Café sind gut gefüllt. Nur ein Zettel an der Eingangstür – und Hinweise im Internet – informierten darüber, dass seit Anfang Januar montags geschlossen bleibt.
„Ich habe die Reißleine gezogen. Wir haben nur noch sieben Mitarbeiter in der Backstub, und wir können nicht alle an sieben Tagen in der Woche arbeiten“, erklärt Bäckermeister Rainer Schwadtke.
Um für alle Tage der Woche Brot, Brötchen und Kuchen produzieren zu können, werden für die Backstube mindestens elf Gesellen benötigt. Obwohl die freien Stellen bei Jobcenter und Handwerkskammer gemeldet sind, finden sich keine geeigneten Mitarbeiter. „Das Interesse am Bäckerberuf ist leider nur gering. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren keinen Lehrling gehabt. Wenn junge Leute beim Schülerpraktikum erfahren, dass wir bereits vor Mitternacht den Backofen anheizen, ist das Interesse fast immer beendet. Wir sind wohl auch ein Opfer des Bildungswahns. Heute soll jeder Abitur machen und unbedingt studieren. Für das Handwerk findet sich dann kein Nachwuchs“, ärgert sich Rainer Schwadtke.
Schwadtke ist im Bezirk bekannt wie ein bunter Hund. Er wurde unter anderem bereits mit der Bürgermedaille des Bezirks und der Goldenen Brezel des Bäckerhandwerks ausgezeichnet. Seit 1995 ist er der Chef der Dresdner Feinbäckerei. Solange er keine neuen Mitarbeiter findet, bleiben Geschäft, Café und die beiden Filialen in Köpenick und Rahnsdorf montags geschlossen. „Ich brauche mindestens zwei Gesellen, um auch wieder genug Ware für den Montag produzieren zu können“, sagt Rainer Schwadtke.
Seit 2009 ist deutschlandweit die Zahl der Handwerksbäcker von 15 000 auf 12 000 gesunken. In der Bölschestraße gibt es neben der Dresdner Feinbäckerei noch neun Backwarenverkaufsstellen, die von außerhalb beliefert werden. „Wir können uns durch Qualität aber gut gegen die Konkurrenz behaupten. Es wäre doch schade, wenn traditionelles Handwerk verschwindet, nur weil sich keine Mitarbeiter mehr finden“, meint der Bäckermeister. RD
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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