Die Eckwerk-Odyssee: Was aus dem einstigen Vorzeigeprojekt wird
Das als Vorzeigeprojekt für die Mobilitätsgesellschaft 2.0 angedachte Eckwerk an der Holzmarkt- und Michaelkirchstraße hat in seiner bisher propagierten Form wohl keine Zukunft mehr. Beziehungsweise wird wieder zu dem, was es einst sein sollte. Über die Gründe gibt es viele Erzählungen.
Ausgebremst. Die Version der Holzmarkt-Genossenschaft geht etwa so: Das innovative Bauwerk werde schon lange behindert: vom Bezirk, Senat, der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. Bis hin zur feindlichen Übernahme. Nicht nur die Zukunft dieses Vorhabens stehe deshalb vor dem Aus, darüber hinaus sei das gesamte Holzmarkt-Projekt gefährdet. Damit ist das schon bestehende Gewerbe- Kultur-, Gastronomie- und Freizeitdorf entlang der Spree an der Holzmarktstraße gemeint. Eine Art alternative Visitenkarte, einschließlich eines Urban Gardening Projekts namens "Mörchenpark". Eingerichtet von den Holzmarkt-Genossen.
Wie alles begann. Zu denen gehören nicht zuletzt die einstigen Betreiber der Bar25, die sich bis 2012 an diesem Ort befand. Sie musste schließen, weil die BSR als Eigentümer das Grundstück meistbietend verkaufen wollte. Es war, am Spreeufer gelegen und mit der Aussicht auf großflächigen Wohnungsbau versehen, lukrativ für viele Investoren.
Den Zuschlag bekam jedoch die Schweizer Stiftung Abendrot. Die Stiftung gab die Fläche per Erbbaurechtsvertrag an die Holzmarkt-Genossenschaft weiter. Was inzwischen passé ist. Abendrot hat sich, wegen der Querelen um das Eckwerk und dem dadurch immer wieder verzögerten Baubeginn, das Grundstück per Heimfall zurückgeholt.
Gewobag im Boot. Das Areal wird durch die Stadtbahngleise zerschnitten. Südlich davon entstand das Holzmarkt-Dorf. An der Nordseite war und ist das Eckwerk vorgesehen. Ein Gebäudekomplex mit Studentenwohnungen sowie Gewerbe, speziell zugeschnitten auf die Start-up-Branche. Realisiert werden sollte das Projekt von einer eigens gegründeten Eckwerk Entwicklungs GmbH, in der auch mit zehn Prozent die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, beziehungsweise ihre Beteiligungsgesellschaft Berletas, vertreten war. Im Laufe der Zeit wurde immer deutlicher, dass die Vorstellungen von Gewobag und Holzmarkt sehr weit auseinander gingen. Als Konsequenz daraus kündigte das landeseigene Immobilienunternehmen Ende vergangenen Jahres die Übernahme aller Eckwert-Anteile an. Die Möglichkeit dazu sah es in einem entsprechenden Passus im Gesellschaftervertrag, der ihr einen solchen Schritt zum 1. Januar 2018 einräumte. Das Vorgehen ist inzwischen Gegenstand eines Gerichtsverfahrens.
"Drehen am großen Rad". Die Gewobag pochte beim Eckwerk auf den vorgesehenen Bau von bis zu 650 Studentenwohnungen. Die Holzmarkt-Vertreter hatten sich davon aber mit der Zeit verabschiedet. Eine Begründung dafür: Schon wegen der zu erwartenden Lärmprobleme sei das nicht zu realisieren.
Ihre Eckwerk-Ideen gingen in eine andere Richtung: Eine temporäre Heimat für weltweit agierende Kreativnomaden. Einschließlich zeitweiser Wohnmöglichkeit. Sie sollten sich mit ihresgleichen vernetzen und den Ruf Berlins als Start-up-Metropole weiter festigen. Entsprechend futuristisch kamen auch die Planskizzen daher. Fünf Gebäudeteile mit bis zu zwölf Stockwerken. Einschließlich grüner Biotope und Fischteich auf dem Dach. Eine neuer international beachteter Ankerpunkt der Stadt. Von einem "Drehen am großen Rad" sprechen andere Stimmen. In der Liga mit Google, Zalando und Co. Ein Ansatz, der aber durch politische und andere Entscheidungsträger ausgebremst wurde.
Die Rolle des Bezirks. Die Einwände aus der Verwaltung von Friedrichshain-Kreuzberg waren bisher vor allem baurechtlicher Art. Erforderliche Unterlagen zu Lärmschutz oder Kerngebietsfeststellung lägen nicht vor, erklärte Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne) in der BVV-Sitzung am 25. April auf entsprechende Anfragen der SPD-Bezirksverordneten Peggy Hochstätter. Sie trugen die Überschrift: "Will das grüne Bezirksamt das Holzmarkt-Projekt verhindern?"
Das Kreativ- und Erlebnisdorf sei nicht gefährdet, wehrte der Stadtrat Befürchtungen in dieser Richtung ab. Das habe zuletzt ein Gespräch mit der Stiftung Abendrot am 27. April bekräftigt. Demnach soll der Holzmarkt bauplanungsrechtlich gegenüber dem Eckwerk-Areal abgesichert werden. Freizeit- und Clubkultur auf der einen, studentisches Wohnen sowie ein Gründerzentrum auf der anderen Seite der Bahngleise.
Bei letzterem gehe das in Richtung des Ursprungskonzepts einer gemeinwohlorientierten Nutzung. Dass nur ein "schnödes Studentenheim" entstehen soll, sei nicht sein Kenntnisstand, so Florian Schmidt.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.