"Die Krautstraße ist in Aufruhr": WBM will Bauanträge für die ersten Hochhäuser stellen
Friedrichshain. Es dauerte lange, bis die Antwort auf die wichtigste Frage kam. Und sie fiel bei der Bürgerversammlung zur Nachverdichtung in Friedrichshain-West nicht zur Zufriedenheit der meisten Besucher aus.
Denn die wollten bei der vom Stadtteilbüro Friedrichshain organisierten Veranstaltung am 25. August vor allem wissen, ob die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) bald mit dem Bau der ersten Punkthochhäuser an der Krautstraße beginnen wolle. Einige Anzeichen würden darauf hindeuten. So sei den Pächtern eines Parkplatzes, der als Fläche für einen Neubau vorgesehen ist, zum 30. September gekündigt worden.
Ja, es sollen noch in diesem Jahr dort Bauanträge gestellt werden, erklärte WBM-Geschäftsführerin Christina Geib. Rückendeckung erhielt sie dabei auch von Stadtentwicklungsstaatsekretär Engelbert Lütke Daldrup (SPD). "Wir haben klar gemacht, dass es einen Auftrag des Senats an die WBM zum Bau preisgünstiger Wohnungen auf kommunalen Grundstücken gibt." Damit war die Katze aus dem Sack und die Stimmung einigermaßen gereizt. Dass über den Protest der Anwohner und das Votum von BVV und Bezirk hinweggegangen werde, wurde von vielen als Willkür aufgefasst.
Lage ist kompliziert
Wie mehrfach berichtet, hat es zu Beginn des Jahres einen Einwohnerantrag gegeben, der sich gegen die Nachverdichtung zumindest nach den bisherigen Plänen aussprach. Das Bezirksparlament stellte sich hinter den von mehr als 2000 Menschen unterschriebenen Vorstoß. Dazu kündigte Baustadtrat Hans Panhoff (Bündnis 90/Grüne) einen Bebauungsplan für Friedrichshain-West an. Genauer gesagt, soll es dort mehrere Bebauungspläne geben.
Wird ein B-Plan aufgestellt, heißt das normalerweise, es müssen seine Ergebnisse abgewartet und dann darf nach diesen Vorgaben gebaut werden. Zu diesem Verfahren gehört auch eine umfassende Bürgerbeteiligung.
Im vorgesehenen Nachverdichtungsgebiet stellt sich die Lage allerdings etwas schwieriger dar. Denn vor dem B-Plan-Beschluss hatte die WBM bereits sogenannte Bauvorbescheidsanfragen gestellt und sich dabei auf den berühmten Paragrafen 34 des Baugestzbuchs berufen. Der erlaubt Neubauten ohne größeres Genehmigungsverfahren, wenn sie sich am umliegenden Bestand orientieren. Nach Lage der Dinge habe man dem stattgeben müssen, machte Stadtrat Panhoff noch einmal deutlich. Denn Hochhäuser existieren dort ja schon.
Damit hat die WBM schon jetzt – B-Plan hin oder her – gute Karten in der Hand. Wenn ein Bauvorbescheid positiv beschieden wurde, gilt das in der Regel auch für den Bauantrag. "Wir könnten für 16 unserer 18 vorgesehenen Grundstücke Bauanträge stellen", erklärte Christina Geib. Das sei aber erst einmal gar nicht vorgesehen, weil die Gesellschaft weiter gesprächsbereit sei und bereits seit vergangenem Jahr mehrere Kompromisse gemacht habe. Auch das Vorhaben an der Krautstraße werde unter Einschluss der Bürger durchgeführt. Hier allerdings eher in einer Lightversion und schon mit klarer Zielsetzung. Oder, wie es in einem Schriftsatz formuliert wurde, als "Pilotprojekt".
Der Senat sei schuld
Ausführungen, die viele im Auditorium nicht gnädiger stimmten. "Die Krautstraße ist in Aufruhr", meinte Heidemarie Wienert, Vertreterin der Bürgerinitiative. Und mit einer wirklichen Beteiligung sei es oft nicht sehr weit her. "Dabei haben wir einige Vorschläge gemacht."
Für viele gilt aber nicht die WBM als die Hauptschuldige in dieser Auseinandersetzung. Sie sei, wie richtig festgestellt wurde, nur der Auftragnehmer. Dahinter stecke der Senat und namentlich der Staatssekretär, die ihr ambitioniertes Wohnungsbauprogramm durchpeitschen wollen. Dass Lütke Daldrup zu der Veranstaltung gekommen und das auch deutlich gemacht habe, werteten viele dann auch als wichtigstes Resultat des Abends.
Lütke Daldrup hatte zuvor von 20 000 neuen Wohnungen im Jahr als Zielmarke gesprochen, um mit dem Bevölkerungszuwachs einigermaßen Schritt zu halten. Dazu brauche es Flächen ebenso in den Außenbezirken wie in der Innenstadt. Erst recht wenn sie, wie in Friedrichshain-West, im Besitz eines kommunalen Wohnungsunternehmens seien. Denn nur so ließe sich ein hoher Anteil zu sozial verträglichen Mietpreisen erstellen. Außerdem gebe es das Begleitprogramm ISEK, über das viele Infrastrukturprojekte finanziert würden.
Demgegenüber standen Einwände, wie der Hinweis auf die schon jetzt sehr hohe Umweltbelastung in der Gegend. Solche und andere Themen beanspruchten rund zwei Stunden der Veranstaltung. Immerhin erbrachten manche Vorträge zumindest einen Erkenntnisgewinn. Etwa der des Klimatologen Prof. Dieter Scherer von der TU Berlin. Er plädierte dafür, Ökologie und Ökonomie, sprich hier Wohnungsbau, zusammen zu denken. Intelligente Lösungen im Bereich der Architektur gebe es dafür. Dabei müssten aber möglichst alle mitgenommen werden, verhärtete Fronten, wie sie sich jetzt an der Krautstraße abzeichnen, sollten vermieden werden.
Und wie in diesen Tagen zu erwarten war, bekam die Auseinandersetzung auch einen Wahlkampf-Touch. Es waren nicht zuletzt Vertreter von Grünen und Linkspartei, die eine klare Stellungnahme des SPD-Staatssekretärs einforderten.
Beide Parteien könnte das Thema aber bald selbst vor die Füße fallen. Sollte es nach der Wahl zu einem rot-grün-roten Senat kommen, müssten sie sich sehr schnell damit beschäftigen. Denn vor dem 18. September wird die WBM wahrscheinlich keinen Bauantrag für die Krautstraße stellen. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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