"Wir fühlen uns nicht gehört"
Drei-Religionen-Kita noch nicht genehmigt
In diesem Jahr soll Baustart sein. Doch die Drei-Religionen-Kita an der Marchlewskistraße ist bisher nicht genehmigt. Laut Bezirksamt ist der Baumschutz noch nicht abschließend geprüft. Ein klitzekleiner Hoffnungsschimmer für die Anwohner, die gegen die Baumfällungen sind.
Die Drei-Religionen-Kita soll ab 2023 auf einem Grundstück der evangelischen Gemeinde St. Markus-Lazarus an der Marchlewskistraße 40 gebaut werden. Anfang 2022 gingen die Träger mit dem Projekt an die Öffentlichkeit. Im Juni wurde dann der Bauantrag gestellt. Acht Monate später ist der Bau noch nicht genehmigt. „Weshalb wir den genauen Baustart nicht nennen können“, sagt Anna Poeschel, Sprecherin des Drei-Religionen-Kita-Hauses. Die Zeit aber werde knapp. Denn die Brutzeit der Vögel beginnt.
Laut Bezirksamt konnte der Bau bisher nicht genehmigt werden, weil noch nicht abschließend geklärt ist, welche Bäume gemäß Baumschutzverordnung schützenswert sind und welche gefällt werden können. Das angekündigte artenschutzrechtliche Gutachten aus dem Umwelt- und Naturschutzamt liegt zwar inzwischen vor. Die Fällgenehmigung sei aber noch nicht erteilt. Der gestellte Bauantrag sieht das Abholzen von 25 Bäumen vor.
Für 21 Bäume sei die Fällgenehmigung in Aussicht ausgestellt, so das Bezirksamt. Konkret für sieben Bäume, die auf dem Baufeld oder zu nahe am neuen Gebäude stehen, und für weitere 14 Bäume, „um die Sicherheitsanforderungen des Landeskriminalamtes zu erfüllen“. An der Wedekindstraße sitzt weiter weg vom Grundstück die Kriminalpolizei. „Für zwei weitere Bäume auf dem Baugrundstück wird es eine Entscheidung über Fällung oder Erhalt geben, sobald das nachgeforderte Gutachten mit den Untersuchungsergebnissen und den Handlungsempfehlungen vorliegt“, heißt es aus dem Bezirksamt weiter. Diese Entscheidung sei Voraussetzung für weitere Baumschutzabstimmungen wie etwa für die Freiflächenplanung inklusive Ersatzbaumpflanzungen oder den Kranstandort. Zudem gebe es noch Abstimmungsbedarf über jene Bäume, die auf dem benachbarten Grundstück der Wedekindstraße 5 bis 7 stehen. Von dort aus soll der Hauptverkehr zur Baustelle führen. Laut Behörde seien auch dort mehrere geschützte Bäume betroffen.
Anwohner kämpfen für Bäume
Die geplante Drei-Religionen-Kita für christliche, jüdische und muslimische Kinder stieß in Berlin auf breite Resonanz. Zunächst auch bei den Anwohnern. Doch seit bekannt ist, dass für den Neubau viele Bäume fallen müssen, regt sich Protest. Mieter wie Iris Noa, Erik Zwikirsch, Marianne Wischnewski und Rayen Sanhueza lehnen das Vorhaben aus Naturschutzgründen ab und setzen sich in der „Bürgerinitiative 10243“ für den Erhalt der alten Pappeln, Ahorne, Buchen, Birken und Kastanien ein. „Mindestens 25 Bäume sind geschützte Arten“, sagt Iris Noa. „Sie spenden Schatten in heißen Sommern, sind natürlicher Lärmschutz und Lebensraum vieler Tiere.“ Rayen Sanhueza, die sich in der Wildvogelhilfe engagiert, bestätigt das. „Wir haben hier Fledermäuse, Spechte, Sperber, Mäusebussarde und andere Greifvögel.“ Werde die urige Fläche, die als Abenteuerspielplatz genutzt wird, versiegelt, würden auch die Tiere für immer verschwinden. „Dieses Grundstück ist eine der letzten Grünflächen im Kiez“, betonen Peter Sobisiak und Jaqueline Uman. Und Marianne Wischnewski versteht nicht, warum die Kita nicht auf der anderen Seite des Kirchengrundstücks gebaut wird. „Dort wäre doch Platz. Oder man baut das Haus einfach kleiner.“ Die Anwohnerin wohnt seit über 30 Jahren dort und hat die Bäume „aufwachsen sehen“.
Außerdem befürchten die Mieter Überflutungen bei Starkregen, wenn die Grünfläche als Bodenspeicher verschwindet, und einen sinkenden Grundwasserspiegel wegen der Bauarbeiten. Damit könnten die umliegenden denkmalgeschützten Häuser, die zum Ensemble der Karl-Marx-Allee gehören, beschädigt werden. „Ganz zu schweigen von dem Baulärm, den wir hier zwei Jahre lang ertragen müssen“, sagt Deniza Konov.
Ihre Bedenken haben die Anwohner den Projektträgern bei mehreren Gesprächen mitgeteilt und auch ihren Vermietern, der WBM und einer Genossenschaft. Und sie haben Unterschriften gesammelt. „Doch wir fühlen uns nicht gehört“, sagt Erik Zwikirsch. „Laut den Architekten soll sich am Bau nichts ändern.“ Für die Einwände und den Appell der Anwohner, nach einem alternativen Standort für die Kita zu suchen, hat Anne Poeschel Verständnis. „Aber Berlin braucht dringend Kita-Plätze. Und wir haben bereits Anfragen von Eltern.“ Auch habe man seit 2015 in ganz Berlin nach einem passenden und bezahlbaren Grundstück gesucht, doch weder in Mitte, Pankow oder Neukölln eins gefunden.
Geplant sind in der Kita drei getrennte, religiöse Kindertagesstätten unter einem Dach mit insgesamt 135 Plätzen. 2025 sollen die ersten Kinder aufgenommen werden. Die Kita hat ein Café, eine Bibliothek und Räume zur Begegnung. So werden die Kinder zwar getrennt betreut, können die anderen Religionen aber kennenlernen. Der Neubau soll 8,2 Millionen Euro kosten – finanziert von der Senatskulturverwaltung, mit Lottomitteln und Spenden. Der Bau ist vor allem wegen erhöhter Sicherheitsanforderungen teurer als andere Kitas. So soll es unter anderem eine Sicherheitsschleuse, einen hohen Zaun und verstärkte Fenster geben. Träger des Projekts sind der Masorti-Verein zur Förderung der jüdischen Bildung und des jüdischen Lebens, der evangelische Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord und das muslimische Zentrum Berlin.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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