Investor im Nahkampf: Szene in der Rigaer Straße macht gegen Wohnprojekt mobil
Friedrichshain. Die Situation war für den Bezirk nicht ungewöhnlich. Höchstens vielleicht die Uhrzeit. Denn ein Sonnabendvormittag um 11 Uhr ist normalerweise nicht der Termin für große Protestaktionen.
In diesem Fall waren viele Teilnehmer aber rechtzeitig aus dem Bett gekommen und am 11. Juni pünktlich in die Rigaer Straße 71-73 geeilt.
Dort befindet sich ein Gewerbehof, der von Sozial- und Kultureinrichtungen genutzt wird. Etwa vom Bildungsträger BUF oder dem Verein "Stadtraumnutzung", der unter anderem den Projektraum "Antje Öklesund" betreibt.
Das Areal wurde von der CG-Immobiliengruppe gekauft, die auf dem Areal mehr als 130 Mietwohnungen errichten möchte. Gleichzeitig gab es eine Bestandsgarantie für die BUF. Sie soll 2500 Quadratmeter zu einem bevorzugten Preis von acht Euro pro Quadratmeter bekommen. Auch Stadtraumnutzung wurde Unterstützung bei ihrem geplanten Projekt Kiezkulturhof auf dem Gelände versprochen. Allerdings sind dessen Akteure mit dem bisherigen Ergebnis der Verhandlungen noch nicht einverstanden und beklagen in einer Pressemitteilung "kaum verbindliche Zusagen des Investors" zur konkreten Umsetzung des Projekts.
"Haut ab"
Aber nicht deren Vertreter führten den Proteststurm an, sondern andere Aktivisten, die wohl meist aus dem Umfeld der Rigaer Straße kamen. Ihnen schmeckten die Neubaupläne grundsätzlich nicht.
"Haut ab", war der Sprechchor, der den Vertretern der CG-Gruppe entgegengeschleudert wurde. Die hatten an diesem Vormittag zu einer Bürger-Informationsveranstaltung über ihr Projekt eingeladen. Wahrscheinlich ahnten die Verantwortlichen schon, dass nicht unbedingt wohlwollendes Publikum zu erwarten war. Deshalb war auch ein größeres Aufgebot an Polizei und Sicherheitskräften vor Ort.
Im Innenhof gab es dann die bekannte Protest-Litanei. Ein Neubau sei grundsätzlich von Übel – erst recht, wenn ein privater Investor am Werk ist. Verdrängung und Gentrifizierung wären dessen Folgen und deshalb sei Widerstand angesagt.
Den Fehdehandschuh nahm Christoph Gröner persönlich auf. Gröner ist der CG-Chef, seine beiden Anfangsbuchstaben stehen für den Namen des Unternehmens. Und je länger die Auseinandersetzungen mit den Aktivisten andauerten, umso mehr, so schien es, hatte er Spaß daran.
Nicht einschüchtern lassen
Die wütenden Attacken konterte er mit dem Gegenangriff, sie seien "phantasielos" und "weltfremd". Er vertreibe hier keine Mieter, denn auf dem Grundstück wohne niemand. Stattdessen sorge er nicht nur Wohnungen, die dringend benötigt werden, sondern sichere den Bestand der BUF und weiterer bisheriger Nutzer. Das sei sein Beitrag für die Allgemeinheit "und deshalb sind wir ein soziales Unternehmen". Die Drohungen würden ihn nicht einschüchtern: "Wir werden hier bauen, da können Sie noch so schreien."
Davon ließen sich seine Kontrahenten natürlich nicht überzeugen, von denen viele nach einiger Zeit das Gelände verließen. Einigen Gästen nötigte es aber zumindest Respekt ab, dass sich der Investor persönlich in den Nahkampf begab. Wenige "Immobilienhaie" würden sich einer solchen Debatte aussetzen, meinte ein Besucher. Ein anderer beklagte die Performance der Gegner: "Es ist immer das gleiche Ritual."
Denn mit ihrem Auftritt spielten sie Gröner eher in die Hände. Etwa bei seinen weiteren Verhandlungen mit Stadtraumnutzung. Deren Kulturhof-Idee wird von den Aktivisten als "Kulturscheiße" abgelehnt.
Der CG-Boss konnte deshalb mit seinem Auftritt zufrieden sein. Als sich die Reihen gelichtet hatten, ließ er sich auf direkte Gespräche mit einigen Verbliebenen ein. Wenn sie gute Projektideen hätten, fänden sie bei ihm ein offenes Ohr. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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