Abwehrstrategien gegen die Deutsche Wohnen
Karl-Marx-Allee: Bezirk und Senat wollen Wohnungskauf durch Immobilienunternehmen verhindern
Vergleiche aus dem Bereich des Militärs sind gerade in Friedrichshain-Kreuzberg eher verpönt. Aber der Erwerb von rund 700 Appartements durch das Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen an der Karl-Marx-Allee und das Vorgehen dagegen haben Züge einer bedeutenden Schlacht auf dem Berliner Wohnungsmarkt.
Denn es geht darum, welche Waffen dabei im Arsenal sind, wie sie in Stellung gebracht werden sollen und welche Wirkung damit erzielt werden kann. Darüber stritt auch die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 28. November anhand von Resolutionen, Anfragen und Anträgen, die sich wie ein roter Faden durch die erneute Mammutsitzung zogen.
Klar und weitgehend unstrittig ist das Ziel: Das Festsetzen der Deutsche Wohnen allein schon in der avisierten Größenordnung gelte es zu verhindern. Erst recht an dieser Stelle. Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne) hat der Karl-Marx-Allee eine "strategische Bedeutung" zuerkannt. Das mit Verweis auf den historischen Bestand an sogenannten Stalinallee-Bauten sowie den aktuellen Bemühungen, die Magistrale zum Weltkulturerbe zu erklären.
Dass sich dort ein Immobilienmulti einnisten will, der einen überaus schlechten Ruf genießt, wird deshalb in etwa so gewertet, als überfalle eine Räuberbande eine friedliche Westernstadt. Deshalb die Gegenmaßnahmen. Mit Pistolen und wenn möglich auch Kanonen.
Bezirkliches Vorkaufsrecht wird in Stellung gebracht
An einer Stelle lässt sich der Angriff wahrscheinlich einigermaßen leicht ins Stocken bringen. Nämlich bei den etwa 80 Wohnungen in der Karl-Marx-Allee 92-100. Sie gehören zum Milieuschutzgebiet Weberwiese. Dort kann das bezirkliche Vorkaufsrecht in Stellung gebracht werden, was inzwischen auch geprüft wird. Beim Rest des Pakets wird es schwieriger.
Das Problem beginnt bereits mit der Frage, wie viele Wohnungen insgesamt Bestandteil des Deals sind und in welcher Größenordnung sich die Zahl der Menschen bewegt, die davon betroffen sind. Sie ist auf jeden Fall vierstellig. Dazu gibt es unterschiedlich ausgestaltete Mietverträge. Wer bereits vor dem Verkauf Ende 1993 dort wohnte, hat in der Regel einen Kontrakt, der Eigenbedarfskündigungen ausschließt. Was zwar eine gewisse Sicherheit bietet, vor Erhöhung der Wohnungskosten aber nicht schützt. Außerdem hat sich diese Bestandsgarantie irgendwann einmal erledigt, was, wie zu hören war, wohl auch schon eingepreist ist. Etwa nach dem Motto: Je älter der Mieter, desto höher die Option auf einen baldigen vollständigen Zugriff.
Grundsätzlich haben die meisten Bewohner auch die Möglichkeit, ihre vier Wände zu kaufen. Allerdings mit einer gravierenden Einschränkung, die das nahezu flächendeckend verhindert. Die Wohnung darf dabei nicht als Sicherheit belastet werden. Wer nicht gerade über einige hunderttausend Euro griffbereites Vermögen verfügt oder jemanden kennt, der ihm eine solche Summe vorstrecken kann und will, hat keine Chance.
Mieter sollen selber kaufen
Genau dort setzen die Abwehrmaßnahmen des Senats an. Denn die Karl-Marx-Allee ist inzwischen auch ein Thema für das militärische Hauptquartier geworden. Eine erste Schlachtordnung hieß: Ankäufe über ein sogenanntes Treuhandmodell. Die Mieter sollen einen Kauf anzeigen, ihre Immobilie aber dann an eine Treuhandgesellschaft weiter leiten, die dafür das Geld bezahlt und sie in ihren Besitz übernimmt. Ein solcher Treuhänder könnte bevorzugt ein kommunales Wohnungsunternehmen sein. Allerdings birgt diese Variante Risiken, weshalb sie zuletzt in den Strategieplanungen eine untergeordnetere Rolle spielte. Etwa weil unklar ist, ob in diesem Fall eine doppelte Grunderwerbssteuer erhoben werden müsste. Auch der enge zeitliche Rahmen spielt eine Rolle. Bis zum 6. Januar muss die Vorkaufsanzeige getätigt sein. Ob bis dahin aber alle Regularien, gerade was den Treuhänder betrifft, geklärt sind, ist zumindest aktuell nicht eindeutig zu beantworten. Deshalb besteht auch die Gefahr, dass sich Mieter auf dieses Konstrukt verlassen und dann im Regen stehen.
Mittlerweile gibt es eine weitere Idee: das IBB-Modell. Die Investitionsbank Berlin tritt sozusagen als Kreditgeber für die kaufwilligen Interessenten auf. Sie können auf diese Weise ihr Objekt erwerben. Ein Schlachtplan, für den sich vor allem die SPD-Fraktion in der BVV stark machte. Er biete anhand der derzeitigen Diskussionen die größten Erfolgsaussichten. Auch die FDP konnte ihm einiges abgewinnen. Wohneigentum erwerben wäre der beste Schutz vor Gentrifizierung.
Vor allem die Linken und auch die Grünen sahen das etwas anders. Das Ziel müsse sein, die Wohnungen wieder zu rekommunalisieren. Deshalb plädierten sie dafür, weiter alle Optionen offen zu halten.
Beim Aufmarschplan sind für Anfang Dezember mögliche konkrete Ergebnisse angekündigt. Gleichzeitig wird davor gewarnt, falsche Hoffnungen zu wecken. Deutlich zeigt sich aber: Der Kampf um die Karl-Marx-Allee ist entbrannt.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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