Mieter im Kampfmodus: Die Neubaupläne der WBM stoßen auf massive Gegenwehr
Friedrichshain. In ihrer Küche breitet Gisela Wendrock zahlreiche Unterlagen aus. Briefe, Petitionen, Protokolle. „Inzwischen artet das Ganze in ziemlich viel Arbeit aus“, sagt die 74-Jährige.
Gisela Wendrock ist Mieterin in der Krautstraße. Zusammen mit ihren Nachbarn macht sie gegen die Neubaupläne der Wohnungsbaugesellschaft WBM in ihrer Umgebung mobil.
Von ihrem Küchenfenster aus blickt sie auf ein Grundstück, auf dem sich bisher Parkplätze, ein kleiner Spielplatz und viele Bäume befinden. Auf dieser Fläche soll eines der drei Punkthochhäuser stehen, die entlang der Krautstraße gebaut werden sollen. Jeweils drei weitere solcher Gebäude mit ungefähr zehn Stockwerken soll es an der Koppen- und der Langen Straße geben, bis zu fünf im Bereich der Singerstraße. Sie sind Teil der sogenannten „Nachverdichtung“ der WBM.
Ähnliche Pläne gibt es auch nördlich der Karl-Marx-Allee. Dort wird allerdings ein Bebauungsplan erstellt. Im südlichen Bereich will das Wohnungsunternehmen seine Pläne dagegen mit Hilfe des Paragraphen 34 Baugesetzbuch verwirklichen. Er erlaubt Neubauvorhaben ohne größeres Planverfahren, wenn sie sich an der vorhandenen Umgebung orientieren. Das sei hier gegeben, finden die WBM und auch Baustadtrat Hans Panhoff (Bündnis90/Grüne). Die betroffenen Nachbarn sehen das etwas anders. Und sie fürchten einen Präzedenzfall. Nicht nur deshalb bringt Gisela Wendrock das Vorgehen der Wohnungsbaugesellschaft auf die Palme. Sie hat ebenso wie viele andere Mieter eine ganze Menge Argumente gegen die vorgesehene Nachverdichtung. Durch die Neubauten würden bestehende Gebäude verschattet, Grünflächen verschwinden, „am Ende haben wir dann Wohnverhältnisse wie im 19. Jahrhundert.“ Wo Ersatz für die ebenfalls wegfallenden Parkplätze geschaffen werden soll, sei ebenfalls nicht klar. Und erst recht nicht, ob überhaupt eine ausreichende Infrastruktur für den Bevölkerungszuwachs gewährleistet ist. Etwa genügend Plätze in Schulen und Kitas.
Angestachelt hat den Protest aber nicht zuletzt, die, gelinde gesagt, ausbaufähige Öffentlichkeitsarbeit der WBM. Im November 2014 hatte deren Geschäftsführer Lars Ernst das Vorhaben im Stadtplanungsausschuss vorgestellt. Gisela Wendrock erfuhr davon durch einen Bericht in der Berliner Woche. Informationen von der Wohnungsbaugesellschaft erhielten sie und ihre Nachbarn auch danach noch lange nicht, auch, weil es dort bisher keinen Mieterbeirat gab. Parallel dazu gediehen die Pläne für diese Gegend bis zum positiven Bauvorbescheid.
Auch sie habe erst mit der Zeit das Ausmaß erkannt, sagt die 74-Jährige. Umso mehr trommelt sie seither dagegen. Unterschriften wurden gesammelt und am 29. Juli gab es eine Informationsversanstaltung, speziell für die Bewohner der Krautstraße und Umgebung. Obwohl der Termin mitten in den Ferien stattfand, seien rund 230 Menschen in den Münzenbergsaal am Franz-Mehring-Platz gekommen, sagt Gisela Wendrock. Die Teilnehmer hätten zahlreiche Einwände vorgebracht, trotzdem habe WBM-Chef Ernst keine Kompromissbereitschaft erkennen lassen, sondern vielmehr noch einmal auf den Paragraphen 34 sowie auf die Beschlusslage der BVV verwiesen.
Allerdings ist der Widerstand inzwischen auch im Bezirksparlament angekommen. In der letzten Sitzung vor der Sommerpause gab es mehrere Anträge zu diesem Thema. „Die WBM muss hier abspecken“, meinten auch einige Bezirksverordnete unter der Hand.
Ein grundsätzliches Nein zu jeglicher Nachverdichtung gibt es in der BVV aber nicht. Vielmehr verbinden sich mit dort mit den Neubauten zahlreiche Wünsche. Neben ausreichend Raum auch für Projekte der sozialen Infrastruktur ist das vor allem die Forderung bis zu zwei Drittel der künftigen Wohnungen zu einem kostengünstigen Preis um die 6,50 Euro pro Quadratmeter anzubieten.tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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