Erst Wachstube, jetzt Touristeninfo
Stiftungen sanieren Pförtnerhaus an der East Side Gallery
Das eher unscheinbare Pförtnerhaus im früheren Grenzstreifen an der East Side Gallery kommt jetzt in neuem Look daher. Zwei Stiftungen haben das kleine Denkmal herausgeputzt.
Es ist kein Corbusier-Haus und auch nicht die Schminke-Villa, kein Kanzlerbungalow und erst recht nicht die Gedächtniskirche. Und doch steht der 35 Quadratmeter große Schuhkarton aus Stein unter Denkmalschutz. Seit über vier Jahren schon. Einst graue Wachstube der Volkspolizei mitten im Grenzstreifen der Berliner Mauer war er nach der Wende knallbunter Souvenierladen für Touristen, dann längere Zeit leer und zugemüllt. Bis ihn die Stiftung Berliner Mauer zusammen mit dem Geldhauptgeber, der Stiftung Wüstenrot, vor zwei Jahren aus dem Dornröschenschlaf holte und denkmalgerecht sanieren ließ. Mit hellem Anstrich, innen eher schlicht, empfängt das ehemalige Pförtnerhäuschen an der Mühlenstraße die Besucher nun als Informationszentrum am historischen Ort.
Dass die Bauherren aus der „kleinen Kiste“ kein kitschiges Mauerdenkmal machten, hat seinen Grund. Das Pförtnerhaus sollte als „einzigartige Spur der Berliner Mauer“ möglichst authentisch erhalten bleiben. Mit Originalwänden, Türen und Fenstern, zumindest dort, wo es ging. Denn: „Das schlimmste, was einem authentischen Ort, einem Geschichtszeugnis passieren kann, ist, dass er banalisiert wird, dass er umgedeutet wird“, betonte Philip Kurz, Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung, bei der offiziellen Eröffnung. „Auch wenn es nur ein kleines Pförtnerhaus mit einer Wärmstube für die Volkspolizei ist.“ Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer, sah das genauso. „Das Denkmal hat keinen architektonischen Wert, auch keinen wissenschaftlichen, aber es vermittelt die Geschichte der Teilung und ihrer Opfer. Deshalb muss man es bewahren.“
Das Pförtnerhaus war Teil des DDR-Grenzregimes. Das Kombinat Getreidewirtschaft baute es 1977. Zum Kombinat gehörte die Osthafenmühle, eine der größten Mühlen der DDR. Daher auch der Name „Mühlenstraße“. Die Mühlengebäude lagen nördlich der Mühlenstraße, direkt an der Spree der Getreidespeicher. Mit dem Bau der Mauer am 13. August 1961 stand der Speicher dann mitten im Grenzstreifen. Als dann Mitte der 1970er Jahre die "Grenzmauer 75" eingesetzt wurde, baute man dort für den Zugang und die Zufahrt zum Speicher ein Metalltor und das Pförtnerhaus. Um zum Speicher zu gelangen, mussten sich die Mitarbeiter den Arbeitsgang von der Kombinatsleitung genehmigen lassen und sich damit beim Pförtner melden. Zusätzlich diente das Pförtnerhaus als Durchgang der Soldaten vom Grenzregiment 33 am Treptower Park. Damit sich Arbeiter und Grenzer im Grenzstreifen nicht begegneten, gab es im Pförtnerhaus unterschiedliche Türen und von einem Zaun getrennte Wege. Ein zweiter Raum im Pförtnerhaus konnte nur durch eine Metalltür von der Mühlenstraße aus betreten werden. Von dort gab es keinen Durchgang zum Grenzstreifen. Den Raum nutzte die Volkspolizei als Wachstube.
Die doppelte Nutzung des Pförtnerhauses ist heute nicht mehr erkennbar. Wer genau hinschaut, sieht drinnen auf dem Estrichbelag und an der Decke aber noch die Spuren der Trennwand. Auch die wohl sinnloseste Tür Berlins zur Mühlenstraße hin haben die Architekten stehen lassen. "Um die bauliche als auch historische Einzigartigkeit" zu bewahren, so Architekt Steffen Obermann vom adb – Büro für Architektur, Denkmalpflege und Bauforschung. Die Wüstenrot Stiftung finanzierte die denkmalgerechte Sanierung mit 288 000 Euro, die Stiftung Berliner Mauer mit rund 58 000 Euro.
Das Pförtnerhaus (Besucherzentrum) in der Mühlenstraße 73 ist täglich von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Wer es sucht: Man findet es nicht weit weg vom sozialistischen Bruderkuss-Graffito.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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