Happy End am Strausberger Platz
Unternehmer Michael Kölmel ist "Investor mit Herz"
Viele Häuser wechseln in Berlin die Eigentümer. In der Regel stoßen die neuen Besitzer auf Argwohn oder sogar Widerstand bei den Bewohnern. Anders jetzt am Strausberger Platz 12.
Das Haus hat Ende September der Filmverleiher ("Weltkino") und Verleger ("Zweitausendeins") Michael Kölmel (65) erworben. Und das unter ausdrücklichem Beifall der Mieter. Sie sind sicher, mit ihm ihren gesuchten "Investor mit Herz" gefunden zu haben.
Kölmel hat ihre Erwartungen mit konkreten Zusagen unterfüttert. Ganz unabhängig vom Berliner Projekt Mietendeckel werde er in den kommenden fünf Jahren die Nettokaltmiete nicht erhöhen ("mein privater Mietendeckel"). Zehn Jahre lang will er keine Kündigungen aussprechen. Und bei Menschen ab einem gewissen Alter soll es die überhaupt nicht mehr geben. Alles Beigaben, die in der heutigen Situation auf dem Immobilienmarkt eher ungewöhnlich sind, am Strausberger Platz aber anscheinend für ein Happy End sorgen. Und das mit tatkräftiger Unterstützung der Betroffenen.
Dabei beginnt die Geschichte im Frühjahr ähnlich wie viele andere. Das Haus, das bisher einer Erbengemeinschaft aus Köln gehörte, soll verkauft werden. Möglichkeiten für die öffentliche Hand, dort einzugreifen, gibt es nicht, denn am Strausberger Platz existiert kein Milieuschutzgebiet.
Schnell schauen sich erste Interessenten das Objekt an. Es sei mehr als gewöhnungsbedürftig, wenn auf einmal wildfremde Menschen durch die Wohnung spazieren und bereits Pläne für eine Umgestaltung kundtun, erinnert sich Mieterin Yvonne Sonnet an solche Szenen. Insgesamt machte sich große Unsicherheit breit. Gibt es einen Käufer oder mehrere für die verschiedenen Appartements? Folgen Kündigungen wegen Eigenbedarf? Und selbst wenn nicht, welche Mieterhöhungen oder Modernisierungen sind zu erwarten?
Hausgemeinschaft sucht nach Investor
Was also tun? "Nur Bettlaken raushängen und Hoffeste veranstalten", wie in anderen Fällen reicht den Bewohnern nicht. Auch von der Politik ist wenig Hilfe zu erwarten. Die Betroffenen müssen deshalb selbst aktiv werden.
Daraus entstand die Kampagne "Suchen Investor mit Herz". Ihr Ausgangspunkt und ihre Hoffnung: Jemanden zu finden, der nicht an reiner Geldvermehrung interessiert ist. Ob das gelingen würde, sei natürlich nicht sicher gewesen, sagt Mietersprecherin Sylvia Dornbusch. "Aber wenn wir nichts getan hätten, wären wir schon verloren gewesen", stellt Yvonne Sonnet heraus.
Für das Anliegen wurde den ganzen Sommer über öffentlichkeitswirksam und professionell getrommelt. Das wichtigste "Kapital" waren dabei die Mieter selbst. Sie verwiesen vor allem auf ihre funktionierende Hausgemeinschaft, bestehend aus Menschen unterschiedlicher Altersgruppen und verschiedener Beruf, alteingesessenen Bewohnern und neu Hinzugezogenen. Und gerade ihr besonderes Käufer-Casting unterstrich den Zusammenhalt der rund 50 Bewohner in 21 Wohnungen.
Die Initiative fand bundesweiten Widerhall und so erfuhr auch Michael Kölmel davon. Und fühlte sich angesprochen. "In einer Zeit, in der Wohnraum knapp und für viele kaum erschwinglich ist, kann es nicht sein, dass Investoren die Situation zusätzlich verschärfen, indem sie die Renditen maximieren", erklärte er. Deshalb sein Beitrag zu "mehr Menschlichkeit auf dem Wohnungsmarkt", ausgedrückt durch eine "moderate Rentabilität".
Das klingt nach Idealismus, auch wenn sich Kölmel bei diesem Wort etwas windet. Eher, so scheint durch, ist es eine Art Dankbarkeit, denn „ich habe eigentlich viel Glück gehabt“. Und ganz schlecht für das Image ist so viel Herz ebenfalls nicht.
Rückschläge und Comebacks
Dabei verlief Kölmels Unternehmensvita nicht immer geradlinig. Er wurde außer im Filmgeschäft auch mit der Vermarktung von Fußballclubs bekannt. Es gab Rückschläge und Tiefen, denen erneute Comebacks folgten.
Und letztendlich will er anscheinend sein Agieren in Friedrichshain in einer Reihe mit anderen Aktivitäten sehen, die zunächst ebenfalls auf Unverständnis gestoßen wären.
In Leipzig baute Kölmel das neue Fußballstadion, damit die Stadt ein Austragungsort bei der Weltmeisterschaft 2006 werden konnte. Damals sei er von vielen belächelt worden, weil die Leipziger Vereine in unterklassigen Ligen spielten. Heute zählt RB Leipzig, ein Produkt der Firma Red Bull, zu den deutschen Top Teams. An dem hat er das Stadion 2017 verkauft, nach dem Red Bull zuvor Hauptmieter war.
Und vor 21 Jahren habe er in der Zeitung gelesen, dass der FC Union Berlin kurz vor der Pleite stehe. Er sei damals eingestiegen und habe den Club entschuldet. Seit dieser Saison spielt Union in der Bundesliga und gilt als "Verein mit Herz". An diese Geschichte erzählt Michael Kölmel, habe er sich erinnert, als er von den Sorgen der Mieter am Strausberger Platz 12 erfahren habe.
Wie viel er für das Haus bezahlt hat, lässt der neue Besitzer im Unklaren. Es war wohl etwas weniger als die kolportieren 6,9 Millionen Euro. Mit mehr Zeit hätte er den Preis vielleicht noch weiter drücken können, klingt an. Darauf habe er schon deshalb verzichtet, um die Hängepartie für die Bewohner nicht noch weiter auszudehnen.
Deren Engagement soll auch kein Einzelfall bleiben, findet Michael Kölmel ebenfalls. Sondern vielmehr zum Ausgangspunkt einer auch bundesweiten Initiative werden. Über eine Internetplattform sollen Betroffene in ähnlicher Situation ebenfalls nach einem "Investor mit Herz" suchen und im Gegenzug Menschen, die sich davon angesprochen fühlen, ihre Angebote einstellen können. "Vielleicht macht unser Beispiel ja Schule", meint Sylvia Dornbusch.
Bei der Mietersprecherin hatte sich Michael Kölmel nach seinem Kaufangebot als erstes gemeldet. Am 1. Oktober traf er sich mit den Bewohnern. Sein Auftritt habe sofort für eine entspannte Stimmung gesorgt. "Auch weil er Baumkuchen mitbrachte".
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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