Das Teichmonster geht um: Vorleser von Lesewelt vermitteln Kindern Spaß an Literatur
Friedrichshain-Kreuzberg. Wer nicht richtig lesen kann, hat schlechtere Chancen im Leben. Deshalb stellt die Berliner Woche im Rahmen der Aktion "Das geht uns alle an" Akteure und Organisationen vor, die sich dafür einsetzen, dass Menschen besser lesen können.
Ein gutes Dutzend Kinder sitzt im Halbkreis im Raum. Sobald Tina Dressler mit ihrem Vortrag beginnt, rückt ein Teil ihrer Zuhörer ganz nah an sie heran.
Tina Dressler ist seit neun Jahren als Vorleserin für den Verein Lesewelt im Einsatz. Jeden Dienstag von 16 bis 17 Uhr hat sie einen Termin in der Bezirkszentralbibliothek Pablo Neruda an der Frankfurter Allee 14a. Dort macht sie ihre Besucher im Alter zwischen vier und sieben Jahren mit der Welt der Bücher vertraut.
An diesem Tag mit einem Teichmonster, das die Tiere in Aufregung versetzt. Hansi Hase, Ivo Igel und Fillipo Frosch sind darüber sehr irritiert und auch verängstigt – auf jeden Fall mehr als die jungen Zuhörer, von denen manche die Bildergeschichte mit ihren Kommentaren begleiten. Monster, Spuk und Gespenster kämen immer sehr gut an, meint Tina Dressler.
150 ehrenamtliche Lesepaten
Die Ausflüge in die Gruselwelt sind ein Aufhänger, um schon die Kleinen an den riesigen Kosmos der Literatur heranzuführen. Lesewelt macht das seit dem Jahr 2000 und hat aktuell knapp 150 ehrenamtliche Lesepaten – von der Studentin bis zum Rentner. Sie kommen nicht nur in Büchereien, sondern auch in Schulen oder Kitas. In Friedrichshain-Kreuzberg gibt es das öffentliche Angebot außer in der Frakfurter Allee auch an den Bibliotheksstandorten in der Adalbert- und der Glogauer Straße. Dazu intern in einigen Tagesstätten.
Angesprochen werden dabei unterschiedliche Altersgruppen, sagt Chefin Ursula Frommholz. Bei den Jüngsten, zu denen die Schützlinge von Tina Dressler gehören, gehe es vor allem darum, Interesse zu wecken oder zu stärken. "Vorlesen finden fast alle Kinder gut." Aber nicht überall gebe es zu Hause die Gute-Nacht-Geschichte. Hier springt Lesewelt ein und vermittelt den Spaß an Büchern. Je früher das passiere, umso größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich auch später für das Lesen interessieren. Gleichzeitig wird die Fantasie angeregt. Die Zuhörer beschäftigen sich mit dem Text und den Bildern, gehen mit und machen auf ihre Entdeckungen aufmerksam.
Für Flüchtlinge etablieren
In den vergangenen Jahren habe sich nicht nur die Lese-, sondern auch die Sprachkompetenz vieler Heranwachsender stark verbessert, sagt Ursula Frommholz und verbucht das als weitere Erfolgsbilanz der Vorlese- oder für die älteren Jahrgänge Selbstleserunden. Das gelte nicht zuletzt für Mädchen und Jungen aus Zuwandererfamilien. Deshalb, so meint sie, sollte es jetzt auch möglichst schnell solche Veranstaltungen für Flüchtlingskinder geben.
Unter den Gästen in der Pablo-Neruda-Bibliothek sind auch einige, die bereits in ihrer Familie ein Lesefundament erhalten haben und gerade deshalb zu den Veranstaltungen kommen. Sozusagen, um die Lesefreude weiter zu vertiefen. Ihr Sohn sei sehr an Büchern interessiert, sagt etwa die Mutter von Eddy (7), der sich stark beim Aufspüren des Teichmonsters beteiligt hatte.
Bei den meisten Teilnehmern handelt es sich um Stammkunden. Ein zusätzlicher Anreiz für den regelmäßigen Besuch besteht darin, dass es nach jedem Treffen einen Stempel in den Lesewelt-Ausweis gibt. Bei zehn Stempeln wird ein Buchgeschenk ausgehändigt.
Und was motiviert Lesepaten wie Tina Dressler hier mitzumachen? "Streicheleinheiten für die Seele", sagt sie. Sich auf diese Weise mit Kindern zu beschäftigen, bedeute eine wunderbare Aufgabe, bei der sie eine Menge zurückbekomme.
Tina Dressler hat früher als Ärztin gearbeitet. Nach ihrem Ruhestand wollte sie sich ehrenamtlich engagieren und meldete sich bei Lesewelt. Das sei eine sehr gute Entscheidung gewesen. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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