"Ein Container wäre unser Ende"
Hertz-Gymnasium wehrt sich gegen mögliche temporäre Unterkunft
Zunächst muss der Schulteich besichtigt werden. Wie so vieles an dieser Schule entstand auch er in Eigenregie. Und das bereits vor 20 Jahren. Dass sie von diesem Biotop irgendwann einmal Abschied nehmen sollen, ist nicht das größte Problem im Heinrich-Hertz-Gymnasium an der Rigaer Straße.
Eher schon, dass niemand weiß, wann das möglicherweise der Fall sein wird. Aber vor allem, welche Umzugsvarianten und Zwischenlösungen dabei in der Debatte sind. Speziell gegen eine zeitweise Unterkunft in Containern wehrt sich das Hertz-Gymnasium. Denn das könne nicht funktionieren, würde sogar ihren Bestand gefährden. Darin sind sich alle vier Gesprächspartner beim coronabedingten Treffpunkt am Teich im Pausenhof einig: Direktorin Bärbel Cohaus, Lehrer Peter Kreißig, Maja Hilt, Schülerin und Mitglied im Bauausschuss der Schule, sowie Elternvertreterin Beate Zettl.
Für das Heinrich-Hertz-Gymnasium ist im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive ein Neubau am Ostbahnhof vorgesehen (wir berichteten mehrfach). Dagegen hat niemand etwas, auch wenn sich die Schule in ihrem bisherigen Gebäude an der Rigaer Straße wohl fühlt. Aber das wird gebraucht, um dort eine weitere, dringend benötigte, Grundschule für den Friedrichshainer-Nordkiez einzurichten. Denn die vorhandenen befinden sich schon jetzt an ihrer Kapazitätsgrenze.
Kein Umzug vor 2025
Deshalb entstand die Idee mit dem Umzug zum Ostbahnhof. Der wird allerdings frühestens 2025 stattfinden. Zwar laufen gerade Gespräche über die genaue Grundstücksgröße und ob statt bisher drei dann vier Züge, also Klassen pro Jahrgang, untergebracht werden können. Aber erst wenn das und noch einiges mehr geklärt ist, geht es in die Planung. Die wird ungefähr zwei Jahre beanspruchen. Noch einmal so lange die Bauarbeiten. Bauherr ist die Wohnungsbaugesellschaft Howoge, die bei der Schulbauoffensive für mehrere Vorhaben in Berlin tätig werden soll.
Wenn das Hertz-Gymnasium im besten Fall in fünf Jahren aus der Rigaer Straße ausziehen könnte, müsste das Haus erst einmal umgebaut werden, was weitere zwei Jahre dauern würde. Es wäre also erst 2027 als Grundschule nutzbar. Viel zu spät beim schon aktuellen Bedarf. Deshalb kam die Idee mit der Container-Zwischenlösung ins Spiel. Die Betroffenen setzen Widerstand entgegen.
Wer sich unter den Schülern damit beschäftige, hielte die Idee für einen schlechten Scherz, meint Maja Hilt. Rein technisch und logistisch wäre das ein Unding, sagt Peter Kreißig. "Wie sollen die vielen Fachräume in einem Container untergebracht werden?" Gerade bei einem naturwissenschaftlich ausgerichteten Gymnasium wie dem Heinrich-Hertz? Für die Eltern würde das ein reduziertes Angebot bedeuten. Deshalb würden sie und ihre Kinder wahrscheinlich nach Alternativen suchen, befürchtet Beate Zettl. Und damit würde auch das Niveau und der Stellenwert absinken, fasst Bärbel Cohaus zusammen.
Schule fürchtet um ihr Renommee
Das Heinrich-Hertz-Gymnasium ist weit über Friedrichshain-Kreuzberg hinaus eine Berliner Vorzeigeschule. Ob Mathe-Olympiade oder Jugend forscht, bei so ziemlich allen Wettbewerben, an denen sich Schülerinnen und Schüler von dort beteiligen, landen sie auf den vorderen Plätzen. Im jährlichen Ranking der Schulen mit dem besten Abiturdurchschnitt taucht das Hertz-Gymnasium regelmäßig in der Spitzengruppe auf. Zusammengefasst ergibt sich also: Die Schule fürchtet um ihr Renommee, ihre Anziehungskraft, Leistungsfähigkeit, um das Schulklima, wenn sie, vielleicht über Jahre, in einem Behelfsbau untergebracht wird.
Dabei ist es nicht so, dass die Probleme des Bezirks negiert werden. Nur sollte anderen Varianten mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zum Beispiel einem Grundschulstandort in der Nähe des Nordkiezes, vielleicht auch außerhalb der Bezirksgrenze, etwa auf dem Schlachthofviertel. Auch für eine Grundschule wäre ein Container nicht optimal, aber trotzdem noch besser als für eine Oberschule. Bei allergrößter Not könne der auch auf dem Hertz-Sportplatz entstehen. Das aber nur zähneknirschend.
Was auch zu der Frage führe, wo es überhaupt Platz für einen Behelfsbau gebe. Eruiert werden sollte das durch einen sogenannten Flächenscan. Was sei eigentlich daraus geworden? Nach solchen Grundstücken werde ständig Ausschau gehalten, sagt Schulstadtrat Andy Hehmke (SPD). Selbst nach privaten wie an der Lange Straße. Ein Ausweichen auf Areale in anderen Bezirken falle schon deshalb aus, weil dort ebenfalls kaum Platz mehr zur Verfügung stehe. Außerdem hätten die Verantwortlichen ähnliche Probleme bei der Schulraumversorgung. Mit Lichtenberg habe es zunächst eine Absichtserklärung für das zeitweise Nutzen einer Schule gegeben. Sie sei mit Verweis auf eigenen Bedarf wieder einkassiert worden.
Es gebe weiter drei Varianten, wie in den kommenden Jahren mit den Schulplatzproblemen vor allem in Friedrichshain umgegangen werden soll, bekräftigt Hehmke schon früher gemachte Aussagen. Eine lautet, Kinder von dort könnten zeitweise in Kreuzberg unterrichtet werden. Ein temporärer Bau entweder für eine Grundschule oder für das Hertz-Gymnasium sind die beiden anderen. Die Entscheidung darüber falle voraussichtlich im Herbst.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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