Gustav Ripprecht und seine neuen Freunde
Was Schüler bei Ausgrabungen auf dem Friedhof der Märzgefallenen entdeckten

Die Schülerinnen und Schüler des John-Lennon-Gymnasiums und ihr entdeckter Grabstein: Lisanne (13), Emilia (12), Lilli (13), Tillmannn (13) und Clive (14). | Foto: Thomas Frey
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  • Die Schülerinnen und Schüler des John-Lennon-Gymnasiums und ihr entdeckter Grabstein: Lisanne (13), Emilia (12), Lilli (13), Tillmannn (13) und Clive (14).
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Die Inschrift auf dem Grabstein ist kaum noch zu entziffern. Die fünf Jugendlichen können aber auswendig vortragen, wie sie lautet: "Hier ruht in Gott mein heißgeliebter Gatte".

Darunter der Name: Gustav Ripprecht. Gestorben am 18. März 1848. Im Alter von 29 Jahren, wissen sie ebenfalls. Und, wie den Zeilen zu entnehmen sei, sei er wahrscheinlich glücklich verheiratet gewesen.

Bei den drei Mädchen und zwei Jungen im Alter zwischen zwölf und 14 Jahren handelt es sich um Schülerinnen und Schüler des John-Lennon-Gymnasiums in Mitte. Sie verbindet inzwischen eine besondere Beziehung mit Gustav Ripprecht. Denn sie haben seinen Grabstein entdeckt. Ganz exakt war es Tillmann (13), der als erster darauf gestoßen ist. Und das bereits „beim zweiten Spatenstich", wie er mehrfach betont.

Passiert ist das am 12. August bei archäologischen Ausgrabungen auf dem Friedhof der Märzgefallenen im Volkspark Friedrichshain. Dort sind 255 Opfer der Revolution von 1848 begraben. Vor 100 Jahren wurden dort außerdem Tote der Revolution von 1918/19 bestattet. Der Friedhof hat im Laufe seines Bestehens mehrfach sein Aussehen verändert. Er galt in manchen Epochen der Geschichte eher als verbotener Ort, verwilderte und überwucherte. Zu anderen Zeiten wurde er umgebaut. Vor allem im Jahr 1947, als er, in Vorbereitung auf die 100-Jahr-Feier der Märzrevolution, seine heutige Gestalt bekam. Der Friedhof erhielt damals eine zusätzliche Erdschicht, unter der dann auch manches, nicht nur Grabsteine, verschüttet wurde.

Originalgrabstein von 1848

Davon vielleicht das eine oder andere wieder zu entdecken, war Anlass für die Ausgrabungen. Sie fanden unter Fachaufsicht des Landesdenkmalamtes statt und wurden zusammen mit dem Paul-Singer-Verein organisiert, der die Gedenkstätte auf dem Friedhof unterhält. Geld gab es von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie. Und nicht zuletzt: Mitgemacht haben knapp 20 Schüler aus der Merian- und der John-Lennon-Schule.

Es seien einiges gefunden worden, konnte Susanne Kitschun, Vorsitzende des Paul-Singer-Vereins, bereits vor dem Ende der einwöchigen Grabungsarbeiten vermelden. Neben insgesamt drei Grabsteinen und zwei Grabmarkierungen auch Patronenhülsen, Glaskugeln, Knochensplitter. Wobei die Gräber selbst nicht freigelegt wurden. Sie befinden sich noch einmal etwa einen Meter tiefer im Boden.

Der Stein für Gustav Ripprecht ragt unter den Funden vor allem heraus, weil es sich bei ihm um ein Original von 1848 handelt – im Gegensatz zu den meisten anderen, die manchmal erst Jahrzehnte später als Nachbildungen angefertigt wurden. Dazu kommt: Anders als bei vielen anderen Toten war von diesem Mann bereits das eine oder andere bekannt. Etwa, dass sein Beruf Conditor (in der damaligen Schreibweise) war. Dass er sich ganz bewusst zum Einsatz für die demokratische Revolution entschlossen hatte. Worauf auch der Ort seines Todes hindeutet: die "Zeitungs-Halle" an der Ecke Jäger- und Oberwallstraße, ein damaliger Versammlungsort und einer der Schauplätze von Barrikadenkämpfe in der Nacht vom 18. auf den 19. März 1848.

Geschichte als persönliches Schicksal

Das und noch mehr haben auch seine "Entdecker" aus dem John-Lennon-Gymnasium danach über ihn erfahren. Daran angeknüpft weiteres in seine Biografie "hineingesponnen". "Man beginnt, sich viele Gedanken über diesen Menschen zu machen und sich manches vorzustellen", meint Lisanne (13). Wie wäre es mit Gustav Ripprecht weiter gegangen, hätte er überlebt? Wie sah sein Alltag als Conditor aus? Und warum stand er auf der Seite der Revolution? Und einmal mehr wird deutlich, dass Geschichte greifbarer wird, wenn sie sich an einzelnen Schicksalen festmachen lässt.

Eine Frage blieb bisher noch ungelöst beziehungsweise gibt es darauf verschiedene Antworten. Gustav Ripprechts Stein wurde im östlichen Bereich des Friedhofs in der dort markierten Reihe sieben gefunden. Bestattet wurde er aber in Reihe acht, die sich im südlichen Bereich befindet. Erklären lasse sich das mit den Veränderungen in den vergangenen mehr als 170 Jahren, sagt Aaron Schröcke, Leiter des Archäologieprojekts. Durch den Wildwuchs hätten Grab und Grabstein teilweise nicht mehr eindeutig zugeordnet werden können. Der Umbau 1947 tat ein übriges. Schon in früheren Fällen sei ähnliches festgestellt worden.

Der Stein Gustav Ripprechts soll übrigens gehoben und in die Ausstellung auf dem Friedhof der Märzgefallenen integriert werden. Christoph Rauhut, der Berliner Landeskonservator, erhob vor Ort keine Einwände.

Am 2. September wird der zweite Teil der Außenausstellung eröffnet. Sie behandelt auf acht Stelen Erinnerungsorte an die Revolution von 1848/49 und die wechselvolle Geschichte des Friedhofs der Märzgefallenen. Dazu gibt es als Ergänzung zwei Filme sowie ein digitales Angebot mit weiteren Hintergrundtexten, Fotos und Videos. Nicht nur dieser Termin wäre auch für die Schüler des Lennon-Gymnasiums ein weiterer Anlass für einen Besuch bei Gustav Ripprecht.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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