Ausstellung und Gedenkstelen zur Geschichte der Halbinsel Stralau
Friedrichshain. Die Stralauer Halbinsel ist in den vergangenen Jahren zu einem schnell gewachsenen und angesagten Wohnquartier geworden. Auch viele Familien, die von außerhalb Berlins kamen, sind dort hingezogen.
Aber was wissen sie über ihre neue Heimat? Diese Frage war der Aufhänger für das Ausstellungsprojekt "Geschichtslandschaft Stralau", das am 30. Oktober eröffnet wird. Es besteht aus einer Dauerausstellung in der Dorfkirche sowie einem Geschichtspfad, bei dem an zwölf Stationen an vergangene Ereignisse und Begebenheiten erinnert wird.
Denn auf der Stralauer Halbinsel gibt es eine Menge historischer Spuren, die teilweise bekannt oder zumindest nachvollziehbar, manchmal aber im wahrsten Sinne des Wortes verschüttet sind. Das alles freizulegen und Interessierten nahe zu bringen, ist Ziel des Erinnerungsparcours.
Angestoßen und forciert wurde das Projekt von Dr. Uwe Nübel, dem Vorsitzenden des Fördervereins der Dorfkirche. Wenige wissen wahrscheinlich so viel über Stralau, wie der 70-Jährige. Obwohl er dort gar nicht wohnt, ist die Halbinsel für ihn ein Stück Heimat. Und das nicht erst seit gestern.
Nübel veranstaltet regelmäßig Führungen. Den Teilnehmern an manchen Stellen auch visuell deren Bedeutung nahe zu bringen, sei ein Hintergrund für die Stelen-Idee gewesen. Und die Dorfkirche steht ohnehin seit Jahrzehnten im Mittelpunkt seines Wirkens.
Sie wurde 1464 eingeweiht und ist damit das älteste Bauwerk in Friedrichshain-Kreuzberg. Ihre Spuren durch die Jahrhunderte sind das Thema der Ausstellung. Sie zeigt neben vielen historischen Bildern auch Exponate, wie die Kanzel aus dem Jahr 1939 und die für ihre Gestaltung zum Vorbild gewordenen Täfelungen von 1709.
Noch weiter zurück reichen Funde, die mehrfach bei Ausgrabungen entdeckt wurden, etwa 1996. Sie zeugen von Gräbern, eines mittelalterlichen Herrensitzes und insgesamt von einer sehr frühen Besiedlung dieses von Wasser begrenzten Gebiets.
Stralau entstand und existierte lange als Fischerdorf, war aber auch Ausflugsgebiet, schließlich Industriestandort. Es sah Massen an Besuchern. Nicht zuletzt beim Stralauer Fischzug, der bis ins 19. Jahrhundert im August stattfand. 1873 wurde das Fest wegen ungesitteten Verhaltens verboten. Bis in die Nachkriegszeit geblieben sind bis zu 20 Lokale, beliebt bei Sommerausfüglern. Theodor Fontane und Heinrich Zille zählten ebenso zu ihnen, wie Karl Marx. Er lebte 1837 wegen seiner angeschlagenen Gesundheit sogar einige Zeit auf Stralau. Ein zu DDR-Zeiten errichtetes Denkmal erinnert daran. Es gehört zu den sichtbaren Spuren der Stralauer Vergangenheit. Ebenso wie manche Reste einstiger Industriekomplexe, die häufig zu Wohngebäude oder Bürolofts mutierten. Etwa der Flaschenturm und die Glashütte oder der ehemalige Palmkernspeicher am Nixenkai.
Ein anderes Bauwerk ist dagegen verborgen und seine Existenz eher unbekannt. Nämlich der 1899 eröffnete Straßenbahntunnel unter der Spree, der Stralau mit Treptow verband. Die 454 Meter lange Strecke war das erste im Schildvortrieb errichtete Bauwerk dieser Art. Tramverkehr gab es dort aber nur bis 1932. Im Zweiten Weltkrieg diente der Tunnel als Luftschutzbunker, nach 1945 wurde er geflutet.
Vor allem in der Endphase des Krieges lebten Hunderte Zwangsarbeiter auf der Halbinsel. Eine unbekannte Zahl ist bei Bombenangriffen 1944 und 1945 getötet worden. Auch ihr Schicksal war lange wenig bekannt oder wurde vielleicht auch verdrängt. Ebenso wie das Leiden vieler Kinder- und Jugendlicher im Durchgangsheim der DDR-Jugendhilfe, das sich im Gebäude der heutigen Thalia-Grundschule befand. Dort erinnert inzwischen eine Gedenkstele daran.
Ausstellung und Geschichtspfad wurden in Zusammenarbeit mit dem Friedrichshain-Kreuzberg Museum realisiert und mit 270 000 Euro von der Lottostiftung unterstützt. Geöffnet ist sonntags von 13 bis 16 Uhr sowie nach Vereinbarung. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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