Das Buch in Serie!
Brainspotting - Uwe Kraus - Roman! 2. Teil
Unsere Gemeinschaft bestand aus Boris, Jericho,
Ratte und mir. Wir sonderten uns von den
anderen ab, rauchten Kippen in der Schule und
ab der Neunten besoffen wir uns mittags.
In der fünften Klasse waren wir in der riesigen
Schule zufällig zusammengewürfelt worden.
Wir begannen gemeinsam Heavy Metal und
Hard Rock, später Indie zu hören und Ratte
ließ sich in der siebten Klasse einen Pferdezopf
wachsen. Später liefen dann alle so rum in der
Schule. Seine Mutter war cool, sie schenkte uns
die Aufnäher mit dem Schriftzug Nazis in den
Müll und war bei Terre des Hommes. Die hat
früher wahrscheinlich auch mal einen durchgezogen.
Ratte schmissen sie in der neunten Klasse
von der Schule und Jericho ging während der
Zehn. Die gingen dann auf die Meisterschule
und fingen schon mal ohne mein Wissen mit
dem Kiffen an. Mit fünfzehn waren wir nochmal
gemeinsam auf Klassenfahrt gefahren, nach
Ulm und Dachau und übertrieben es mit dem
Trinken. Damals hatte ich noch keine Ahnung
davon, aber ich wollte unbedingt dazugehören.
Dann kam 1996, meine Mittlere Reife und mit
ihr der erste verrauchte Sommer. In den Ferien
trafen wir uns immer bei Jericho und genossen
unsere ersten kurzen bewusstlosen Momente.
Vor fünfzehn Jahren
Wir waren zu Beginn eines warmen Abends in
den Köwi gegangen. Der Köwi hieß eigentlich
Königswinkel und war direkt an der Marienkirche
in Lautern. Hier kamen auch die Punks
hin und die Kiffer vom Rathaus. Ich war dort
1996 nur ein paar Mal und ab und zu noch im
Jahr darauf. Im Köwi gab es nie Fassbier, nur
aus der Flasche. Und wer dort hinging, konnte
ohne Unterlass bauen und drehen. Vom
Ottel zur Sportzigarette. Dort gab es den ersten
Wodka, die ersten Tequilas und die ersten
Knackpunkte. An der Wand hing ein Darth
Vader Poster und im Regal stand eine Büste
von Lord Helmchen, die waren irgendwie abgespaced,
das sah man gleich. Es gab auch einen
Kicker und einen Billardtisch, aber nur wenige
interessierten sich dafür. Ich hatte keine Ahnung,
was in mir vorging. Ein paar Freunde
bestellten Bier. Ich war 16, war alt genug, Bier
zu trinken und hatte einen Roller. Und Ehrgeiz.
Ich wusste nicht, was eine Zehner Ecke
war und war genervt als meine Freunde davon
sprachen, Haschisch zu kaufen. Die Kneipe
war ein Umschlagplatz und wurde polizeilich
überwacht. Doch das störte niemanden. Ratte,
Jericho und Boris kauften sich ein Gramm,
wir gingen ins Haus von Rattes Mutter, hörten
Wizo und bauten. Ich war so an mir vorbei,
dass mich nichts anderes interessierte. Die anderen
machten Späße und ich betete heimlich,
nichts Falsches zu tun.
Der erste Fehler.
Die Angst, die Eltern zu enttäuschen.
Ich erinnere mich nur an die Rückfahrt und
wie ich mir immer wieder mit der Hand auf den
Helm schlug beim fahren. Ob das ein Knackpunkt
für meine Seele war, weiß ich nicht. Ich
war sensibel und ängstlich. Schon immer.
Boris machte mir Angst, denn er erzählte uns,
er sei schizophren und wurde es dann auch.
Auf einer Skifreizeit im Winter 1995 / 96 erzählte
ich dann auch allen, ich sei schizo. Andreas,
ein Bekannter aus der Schule, beruhigte mich.
Boris sitzt heute in einem Heim für betreutes
Wohnen und raucht Kohle und Teer.
Meine Eltern verstanden mich nicht mehr. Immer
öfter verspätete ich mich, blieb manchmal
ganze Nächte weg und wurde unzuverlässig. Ich
hatte aber alles noch unter Kontrolle. Bis zu jenem
Abend im Sommer.
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