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Brainspotting - Uwe Kraus - Roman!

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Brainspotting!  - Roman - Uwe Kraus

Für Syd Barrett, Anita, Willi und alle anderen!

Dort will ich nicht mehr hin. Versteht ihr?
Dort erzählen sie dir, sie schrieben an der Bibel
herum. Oder fressen Schachfi guren.
Oder sagen zu viel. Und das macht einen dann
selbst verrückt. Erst als ich ohne Handschellen
und ohne angebunden zu sein dort existierte,
konnte ich mich wehren. Ich hätte dort Kugelschreiber
zusammenbauen sollen, doch wem
hilft das gegen eine Psychose. Ich war doch damals
Shakespeare und meinte, ich hätte Recht.
Und ich würde gefilmt. Doch es kam alles anders.
Die kollektiven Ströme begannen. Da hätte
man wirklich Carl Gustav Jung rufen müssen.
Kaum war ich dort, fing das an. Dass ich fremde
Gedanken hörte und mich mit ihnen unterhielt.
Ich wusste doch, dass das nicht richtig war, aber
ich steigerte mich da hinein und schluckte jede
Scheiße, die sie mir gaben.

1979 war ein erfolgreiches Jahr für den FCK.
Auch für mich, denn ich kam zur Welt. Kreischerei.
Eine Zange riss mich ins Leben. Der
Betze gewann in meiner Geburtsstunde 3:0 gegen
Berlin.
Ich fühle mich wohl in dieser Vergangenheit. Da
ist alles kristallen. Pitje Puck und Masters of the
Universe entstanden, die TKKG und Benjamin,
der erste Wetterelefant der Welt, wurden geboren.
Erst der Kindergarten, dann die Geschwister-
Scholl-Grundschule, Realschulempfehlung,
Fachabi, Gesellenprüfung 2002. Den Schriften
der Zeugen Jehovas bin ich durch meinen Onkel
seit 1981 ausgeliefert. Das wars zusammengefasst.
Ich bin dreißig und stehe immer noch
nicht selbständig auf.

17. Februar 1979, Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern.
Direkt neben der Buchhandlung, in der
ich heute meine Bücher kaufe, wurde ich um
15.25 Uhr geboren.
Die Genesis meines Lebens? Mit drei der erste
Fisher Price Baukasten zu Weihnachten, He-
Man mit sechs Jahren. Oma meckerte über die
Figuren und über die Burg. Gut gegen Böse –
und ich begann, auf der bösen Seite im Spiel
zu stehen. Mir gefiel Skeletor, die Burg Snake
Mountain und Hordak, der Lehrmeister des
Grauens. Leider gibt es das nicht mehr zu kaufen,
vielleicht in Amerika.

Ich wünschte mir einen kleinen Bruder, den ich
hätte erziehen können, doch den gab es nicht.
Ich erzählte ihm trotzdem Gutenachtgeschichten:
Geschichten, in denen ich der Held war.
Und ich nannte mich Markus, ich wollte immer
so heißen. Doch es gab keinen, der mir zuhörte.
Mein großer Bruder war bei meiner Geburt
zwölf Jahre alt. Mit dem konnte man nichts anfangen.

Ich war nicht immer auf der falschen Spur. In
meinem ersten Leben lief alles nach Plan. Ich
brachte gute Noten heim. Schreiben lernte ich
schnell, aber mit der Mathematik hatte ich Probleme.
Ich gab mir Mühe. Vor allen Dingen in
Sachkunde und Religion. Das war auch der
Grund, weshalb ich mich am Gymnasium für
Erdkunde als Leistungskurs entschied.

Ich halte die Lyrik aufrecht
In meinem Herzen.

In der Saison 1979 / 80 wurde der Betze Dritter.
Meine Geburt brachte dem Verein Glück.

Dann der Sommer, in dem ich Weltmeister
wurde. 1990, die Nacht von Rom, unvergesslich.
Der Mauerfall, die Wende und ein halbes

Leben Helmut Kohl. Die Zeit schießt durch die
Adern.

1987 starb meine Großmutter, die ich immer
Oma auf der Treppe genannt hatte, weil bis zu
ihrem Haus ein paar Stufen zu bewältigen waren.
Ich goss mir bei ihrer Beerdigung Mezzo
Mix aufs Essen, so durcheinander war ich.

Jetzt, ein halbes Leben später, habe ich keine
Opas und keine Omas mehr. Ich erinnere mich
nicht mehr. Das ist alles weggeschluckt im Hirn.
Ich träume auch nicht von ihnen. Ich habe vergessen.
Die Zeit fließt wie in einem Kanal, wie in
einem Strom.

Ich kam zu den Pfadfindern, der FCK wurde
unter Feldkamp Meister und Pokalsieger. Ich
weiß, warum sie abstiegen. In dem Jahr wurde
ich krank. Es legte die Stadt lahm. Weizsäcker,
Kohl, Joschka, den ich wählte.

Die Vergangenheit bebt
In meinen Entscheidungen.

Warum geht das alles so schnell? Irgendwann
knallt es und alle sind weg. Der Sommer 1996,
in dem ich zweimal operiert wurde, brachte das
Chaos.

Seither ist alles Selters. Ein halbes Leben ohne
Orientierung. Mein Abi ertränkte ich in Delta-
9-Tetrahydrocannabinol. Das hab ich geschafft.
Ich hoffte auf eine gute Ausbildung, die das Gefühl
abtötet, ein Versager zu sein. Aber ehrlich
gesagt bin ich das. So oder so.

Kein guter Lebenslauf. Elf Jahre ist alles rund
gelaufen in der Schule, dann ein Jahr nur Gastschüler,
dann ein akzeptables Jahr, dann der
Fluch. Ich verlaufe mich wieder in meiner Erinnerung.

Glaubt mir, das schneidet die Haut auf.

Ich war nie der Typ, der gemacht hat, was man
ihm sagte. In meinem Kopf sehe ich noch meinen
Vater und wie er zu mir sagte »Rauch nicht
und trink nicht!« als ich mit dem Roller zu meinen
Freunden fuhr. Ich verstand nichts. Mit 16
die erste Zigarette, der erste Joint, die erste Kotzerei
im Dönerladen.

Uwe Kraus 2009/2010. Veröffentlicht zuerst beim Conte Verlag in Saarbrücken, danach in Eigenregie. Wer es ausgedruckt möchte, es kostet im Buchhandel nur 5 € und ist weltweit erhältlich!

Autor:

Uwe Kraus aus Friedrichshain

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