"Kapelle99" ist jetzt kommunal
Friedrichshain hat einen neuen Kulturort
Mit der „Kapelle99“ hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg einen eigenen neuen Kulturort. Volkshochschule und Musikschule experimentieren dort schon. Weitere kulturelle Nutzungen aus und für den Kiez sind geplant.
Gebetet wird an diesem Ort schon lange nicht mehr. Dort wünscht man sich höchstens „Hals und Beinbruch“. In der „Kapelle99“ wird Theater gespielt. Schon wieder muss man sagen. Denn das altehrwürdige Haus an der Boxhagener Straße bleibt Kulturort, ist nur jetzt ein öffentlicher und kein privater mehr. Der Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte hat die Kapelle vergangenes Jahr an das Bezirksamt vermietet. Volkshochschule und Musikschule probieren sich dort schon aus. Und das Amt für Weiterbildung und Kultur entwickelt seither ein breites Angebot weiter.
Das sei auch bitter nötig, ist man sich im Rathaus einig. Denn: „In Berlin werden Orte für nicht-kommerzielle kulturelle Aktivitäten immer rarer“, sagt Bürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne). Das gelte für den Innenstadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg ganz besonders. Gleichzeitig steige in der wachsenden Stadt der Bedarf an wohnortnahen, nicht-kommerziellen kulturellen Angeboten, so Herrmann weiter. Daher freue es sie, „dass wir mit der ‚Kapelle99‘ einen Ort schaffen konnten, an dem die Menschen im Bezirk vielfältige Kultur- und Weiterbildungsangebote nutzen können“. Anne Maase sieht das genauso. „Dieser wichtige Kulturort wäre für den Kiez verlorengegangen“, sagt die stellvertretende Leiterin des Amtes für Weiterbildung und Kultur. Jetzt baue man ihn „Stück für Stück wieder auf“.
Die Volkshochschule (VHS) ist seit Juni drin. „Ein halbes Jahr lang haben wir alles hergerichtet, experimentiert und ausprobiert“, informiert VHS-Direktor Maik Walter. Verschiedene Theaterkurse, aber auch freie Gruppen nutzen die Bühne mit 100 Zuschauerplätzen oben im Hauptraum der Kapelle für Proben und Aufführungen. Zeichenkurse, der Gospelkurs und ein Elternkurs treffen sich ebenfalls in der Kapelle. In den Kellerräumen spielen seit September ein Mal im Monat professionelle Musiker und Musikerinnen der Berliner Jazz- und Popszene sowie Schüler der Musikschule im Rahmen ihrer studienvorbereitenden Ausbildung. Und Musikschullehrer geben dort unten Schlagzeugunterricht. Die Nachfrage nach Proberäumen ist bekanntlich groß. Nachwuchsmusiker und Theatergruppen suchen, und bei vielen Kursen der VHS und Musikschule sind die Wartelisten lang. Auch die Geschichtswerkstatt interessiert sich für den neuen kommunalen Kulturort. Es könnte auch mehr Konzerte geben, und freies Theater. Oder einen Nachbarschaftschor, der bei ordentlicher Akustik regelmäßig trällert. Anne Maase und ihr Team haben viele Ideen. „Die Stimme ist das Instrument des Jahres 2025.“ Der Chor würde also gut passen. So ab März soll es eine öffentliche Ausschreibung geben. Das Bezirksamt will die Räume für eine geringe Pauschale an Kulturschaffende vermieten. Damit die Kapelle zu einem „niedrigschwelligen, partizipativen und nicht-kommerziellen Kultur- und Theaterort“ wird.
Im Friedrichshainer Südkiez ist die „Kapelle99“ ziemlich bekannt. Sie ist eines der ältesten Gebäude im Kiez und markiert seit 1879 den Eingang zum Georgen-Parochial-Friedhof IV an der Boxhagener Straße 99. Gottesdienste für Verstorbene gab es dort bis etwa 1993. Später zog der „Knochenbox“-Club in den Keller, wo einst die Särge standen, und rockte dort bis zum Sommer 2015. Danach wurde die Kapelle saniert und ab Oktober 2018 als Spielstätte für Theater und Performance neu eröffnet. Zuletzt spielte dort ein freies Kindertheater. Nach dessen Auszug suchte der Friedhofsverband nach einem neuen Mieter. Auch ein Yogastudio hatte Interesse an der Friedhofskapelle.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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